Erster Eindruck von Rosetta

Wir hatten die Gelegenheit, uns ein Stündchen mit Rosetta zu beschäftigen. Uns stand hierfür einer der neuen iMacs zu Verfügung.


Unser Testsystem bestand aus dem kleinsten iMac-Modell mit 17"-Monitor, einem Dual-Core-Prozessor mit 1,83 GHz, und 512 MB RAM -- also jener Konfiguration, wie sie von Apple als Grundkonfiguration angeboten wird. Es ist klar, dass der Speicher sehr knapp bemessen war, aber wir wissen damit umzugehen.

Wenn man die ersten Minuten mit dem System herumspielt muss man feststellen, dass der neue iMac abgesehen von einem geringeren Betriebsgeräusch nicht vom Vorgänger zu unterscheiden ist, und das ist gut. Natürlich waren auch die bisherigen iMacs sehr leise. Wenn man nicht wüsste, dass hier eine neue Generation von Mac vor einem steht, würde man vermutlich überhaupt keinen Unterschied feststellen.


Erster Eindruck

Das System ist schnell und wirkt frisch und modern. Kaum zu glauben, dass ein Intel-Prozessor darin steckt. (Wir haben es allerdings auch nicht nachgeprüft.) Die Applikationen starten schnell, die Oberfläche ist "snappy" und insgesamt weist die Maschine eine Perfektion auf, die es schwer macht, überhaupt einen kritischen Testbericht zu schreiben.

Höchstens der seit Ende letzten Jahres eingebauten Kamera merkt man an, dass sie im Grunde eine Gratiszugabe ist, aber für den anvisierten Zweck ist sie gut geeignet. Die Vorstellung, dass bald jeder iMac-Anwender ganz selbstverständlich für Video-Telefonie zur Verfügung steht, ist beeindruckend -- vor allem, wenn man berücksichtigt, wie einfach es geht und wie gut es insgesamt gelöst ist. Das nutzt sicher mehr als noch ein paar mehr Megahertz oder anderer Schnickschnack.

Wir haben nacheinander die mitgelieferten Programme gestartet und etwas damit experimentiert. Dabei stellt sich heraus, dass nicht alle Programme den zweiten Prozessorkern ansprechen können. Aber selbst wenn von einer Applikation nur ein Kern benutzt werden kann, bleibt der zweite Kern immer noch übrig für die Benutzeroberfläche oder ein weiteres Programm, sodass das System selbst unter Last noch sehr ansprechbar bleibt. Das ist weniger erwähnenswert für Leute, die mit der Stoppuhr vor dem iMac sitzen, sondern eher für jene, die sich an einem "angenehmen System" erfreuen.

Ehrlicherweise muss man anmerken, dass ein einzelner G5 (aus dem Vorgänger-Modell) deutlich schneller ist als ein einzelner Kern des Intel-Prozessors. Insofern darf man den Vorteil der zwei Kerne nicht zu hoch bewerten und man muss wissen, wie es gemeint ist. Wenn eine Applikation nur einen Prozessor benutzen KANN, könnte sie auf einem G5 manchmal schneller sein als auf einem Yonah-Prozessor. Die Applikation nutzt dann eben nur einen Yonah-Kern, ist deswegen etwas langsamer als auf einem G5, hat andererseits den zweiten Kern frei für Betriebssystem und GUI -- und fühlt sich deswegen kurioserweise schneller an. Es sei denn, man bemüht die Stoppuhr. So hat eben alles Vor- und Nachteile.


Rosetta

Wir haben Rosetta mit jenen Programmen getestet, für die es vorgesehen ist. Es war nicht unser Ziel, zu beweisen, dass das Konzept Grenzen hat. Denn das wissen wir bereits. Rosetta ist kein Turbo. In unserem Testportfolio befanden sich denn auch eher die klassischen Office-Anwendungen von Microsoft (die ja bekanntlich leicht überteuert sind, sodass man sie vielleicht nicht neu kaufen möchte) und etwas Krimskrams aus dem Internet.

Wenn man beispielsweise Word startet, hüpft das Icon im Dock drei bis fünf Mal, danach erscheint die Anfangsgrafik, und ein paar Sekunden später steht das Programm zur Verfügung. Wie unter OS X üblich, starten Programme schneller, wenn man sie in kurzen Abständen erneut startet. Wer Word also nur gelegentlich benutzt, wartet ein paar Sekunden länger als ein Anwender, der es andauernd startet.

Zum Vergleich: Ein G4 mit ca. 1 bis 1,5 GHz startet Word in insgesamt zwei Bounces. Beim ersten Hüpfer des Icons ist die Startgrafik zu sehen, beim zweiten Hüpfer ist das Programm einsatzbereit. So schnell ist Rosetta bei weitem nicht.
Aber wer garantiert einem, dass die deutlich geringere Geschwindigkeit beim Starten der Programme einen Rückschluss darüber zulässt, wie schnell die Programme im Betrieb sind? Insofern muss man "Benchmarks" und Augenzeugenberichte bezüglich der Programmstarts mit der gebotenen Gelassenheit zur Kenntnis nehmen.

Sich in einem solchen Testbericht an der kurzen Wartezeit beim Starten festzukrallen ist ein wenig peinlich angesichts der hoch komplexen Vorgänge im System, die dabei ablaufen müssen, und der enormen Nützlichkeit von Rosetta. Auf der anderen Seite verzichten wir auf fadenscheinige Benchmarks und gehen lieber auf die "gefühlte" Geschwindigkeit ein, weil es vermutlich den Anwender eher interessiert, ob man ungestört und zügig arbeiten kann, als zu erfahren, dass man ein hundertseitiges Dokument in 8,4 Sekunden zu Fettschrift konvertieren kann -- was für Diabetiker ohnehin nicht ratsam ist.

Der erste Eindruck beim Starten der Office-Schwergewichte ist also "moderat gut". Die Programme starten nicht rasend schnell, aber doch schnell genug, dass man sich keine Gedanken darüber zu machen braucht.

Die geöffneten Programme sind von nativen Applikationen optisch nicht zu unterscheiden. Sie sehen exakt so aus wie immer und verhalten sich auch so. Uns ist jedenfalls beim Experimentieren mit Word, Excel und Powerpoint kein Unterschied aufgefallen. Man wird nichts gefragt, muss keine Einstellungen vornehmen und braucht auch kein Vorwissen. Die Programme starten, und das war's.


Geschwindigkeit

Die Rosetta-Engine benötigt keine merkliche Prozessorlast, wenn die damit übersetzten Programme nichts zu tun haben. Es gibt also keine "Grundlast", die von Rosetta erzeugt würde. Das bedeutet, dass sowohl PPC-Programme als auch native Software gedankenlos nebeneinander betrieben werden können, ohne dass man nicht benötigte Programme dauernd schließen müsste.

Die Geschwindigkeit der per Rosetta betriebenen Applikationen ist natürlich geringer als bei den nativen Versionen. Man muss allerdings genau auseinander halten, wo sich diese Unterschiede niederschlagen. Word beispielsweise fühlt sich "als Ganzes" exakt so schnell an wie immer. Damit ist das Arbeiten mit Fenstern, Menüs und Paletten gemeint, also nicht die Programmfunktionen, sondern "das Äußere". Das ist wichtig zu wissen, weil üblicherweise in Emulatoren/Translatoren eine allgemeine Einbuße zu spüren ist, die alle Aspekte betrifft. Bei Rosetta reagieren Menüs und Fenster jedoch unvermindert schnell. Man verschiebt Fenster exakt so flüssig wie bisher.

Deswegen kann man ohne Gefahr die Behauptung aufstellen, dass ein Anwender schon etwas Zeit brauchen wird, um herauszufinden, ob ein Programm unter Rosetta läuft oder nicht. Das mag nicht zutreffen bei Software, die ein ganz eigenes User Interface mitbringen (etwa bei den vielen abgefahrenen Plugins der Musikprogramme, aber das ist eh nichts für Rosetta). Aber wenn es normale Fenster, Paletten und Menüs sind, trifft es zu.

Stärkere Geschwindigkeits-Einbußen muss man dann bei den eigentlichen Funktionen des Programms hinnehmen. Rosetta ist jedoch für Applikationen gedacht, bei denen die Rechenleistung ohnehin kein Kriterium mehr ist, sofern man einen modernen Rechner einsetzt. Ob man Word nun mit 3 oder 4 GHz einsetzt, dürfte ziemlich egal sein. Kaum jemand wird den Unterschied merken. Denn dabei wartet das System die meiste Zeit auf den Anwender. Und wir können bestätigen, dass Rosetta ganz hervorragend auf den Anwender wartet -- vielleicht fast noch ein bisschen besser als ein natives System. Anders sieht es aus bei Video-Anwendungen oder Spielen, aber das sind nicht die Einsatzgebiete, für die Rosetta tauglich ist.


In der Praxis

Einen Brief mit Word zu schreiben geht sehr gut. Word hat merkwürdigerweise auch nativ immer eine gewisse Behäbigkeit bei der Verarbeitung der Eingaben. Das liegt vermutlich an den vielen Automatismen und Assistenten, die bei jedem Tastendruck darauf lauern, einem in den Weg zu springen. Wer also beim Händler seines Vertrauens aus Spaß etwas mit Word herumspielt, sollte das bedenken. Dieser Effekt hat nichts mit Rosetta zu tun.

Wir haben ein etwa 150 Seiten großes Dokument erzeugt und es hin und her formatiert. Das klappt ohne nennenswerte Wartezeiten. Auch Suchen/Ersetzen geht flott. Tabellen lassen sich wunderbar zeichnen und bearbeiten. Wir haben versucht, Word etwas aus dem Tritt zu bringen, und obwohl es sicher einen Weg gibt, dies zu erreichen, ist es uns jedenfalls innerhalb einer Stunde nicht gelungen.

Wir haben auch ein paar einfache Aktionen in PowerPoint ausprobiert, vornehmlich um die Geschwindigkeit der Animationen zu testen. Sowohl die Oberfläche als auch das Abspielen einer Präsentation (mit Cube-Effekten usw.) lief sehr schnell. Jedenfalls nicht langsamer als es vorgesehen war. Die Animationen in PowerPoint haben natürlich nicht jene cineastische Grandezza von Keynote, aber das liegt ja nicht an Rosetta.

Für Office-Software ist also die "gefühlte Geschwindigkeit" sehr ordentlich und stellt nach unserem Eindruck überhaupt kein Problem dar. Wir würden vermuten, dass kaum ein Anwender auf die Idee kommen dürfte, sich eine native Version von Office zu kaufen, einfach damit sie nativ ist. Das Geld kann man sich sparen.

Ein anderer Faktor fällt stärker ins Gewicht. Wenn man das ganze System ordentlich ausbremsen möchte, spart man am Speicher. Die Speicherbremse ist tatsächlich effektiver als die verlorene Performance durch Rosetta. Mit den eingebauten 512 MB RAM läuft das Betriebssystem flüssig, und man kann durchaus auch mit einem großen Programm wie Word arbeiten. Aber danach ist Schluss. Wer gleichzeitig Musik hören, Emails empfangen und einen Browser in Bereitschaft haben möchte, muss in Speicher investieren. Da Rosetta bereits übersetzte Systemaufrufe speichern soll, muss dieser Speicher auch zur Verfügung stehen.

Man kann es gar nicht genug betonen, dass man einen Mac mit mehr Speicher ausrüsten sollte, als er von Apple ausgeliefert wird. Wer sich Gedanken über die Performance von Rosetta macht, sollte zuerst an mehr Speicher denken. (Und an dessen Preis, denn die Angebote sind bei ansonsten identischen Produkten sehr unterschiedlich.)


Gretchenfrage

Soll man nun einen der neuen Intel-Macs kaufen oder nicht? Beim neuen "Mac Book Pro" ist das einfach zu sagen, weil der Performance-Zuwachs vermutlich wirklich enorm ist. Solange die geplante Software irgendwie auf dem Ding läuft, ist ein Kauf eine gute Entscheidung. Die Dinge können dann mit der Zeit nur besser werden, wenn mehr native Software erscheint.

Beim neuen iMac ist der Fall etwas schwieriger. Wer bereits einen halbwegs aktuellen Mac hat, bekommt beim neuesten iMac auch nicht viel mehr als vorher, mal abgesehen von Fernbedienung und eingebauter Kamera. Aber das sind Zugaben. Wer also bisher glücklich war mit seinem Mac, sollte einfach dabei bleiben.

Wo aber sowieso ein Neukauf ansteht, stellt sich die Frage, ob man nicht doch lieber einen der "alten" (und immer noch guten) iMacs kauft, oder auf den Intel-Zug aufspringt -- oder einfach abwartet. Nach Informationen von Händlern warten im Moment sehr viele Käufer ab.

Die Frage wird natürlich von der Software entschieden. Performance-kritische Programme sollten nativ vorliegen, solange muss man abwarten. Office-Programme laufen in Rosetta wirklich gut genug, darauf braucht man also keine Rücksicht zu nehmen. Für die meisten potenziellen Kunden der iMac-Zielgruppe (iLife, Office, Email, Web) ist der Umstieg auf die Intel-Plattform daher schon jetzt angesagt. Das kann man guten Gewissens empfehlen.

In diesem Test ging es vornehmlich um Rosetta, und Rosetta hat sich wacker geschlagen -- eigentlich besser, als wir es erwartet hatten. Aber man kann sich nicht vor einen der neuen Intel-iMacs setzen, ohne dieses Gerät ebenfalls mit ein paar Sätzen zu würden. Denn der Intel-iMac ist ein Gerät, welches als Hardware ungemein überzeugend ist. Man muss etwaige Kritikpunkte beinahe an den Haaren herbeiziehen. Das neue und native iLife-Paket ist eine Bombe. OS X Tiger ist über jeden Zweifel erhaben. Der Nutzen und der Spaß, den das Gesamtpaket aus Hardware und Software bietet, ist schlicht sensationell.