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Neu bei Toast 6: Weniger Features als in Toast 5


27.11.2003   Im August 2003 kündigte Roxio - in den Schlagzeilen durch den wieder auferstandenen Musikdienst Napster 2.0 - die neue Version 6 des Mac-Brennprogramms Toast Titanium an. Im Oktober erschien die deutsche Version.

Die Überschrift und die Einleitung sind etwas plakativ, zugegeben. Toast 6 hat neue Features an Bord, unter anderem die Erstellung von SVCDs, direktes Brennen von einem DV-Camcorder, eine zugekaufte Backup-Software namens "Deja Vu", der "ToastIt"-Eintrag im Kontextmenü des Finders oder das gemeinsame Nutzen eines Brenners im Netzwerk.

Video
Ich habe mir Toast 6 unter anderem wegen der neuen Videofunktionen gekauft: CD-Rohlinge sind günstiger als DVD-Rohlinge, warum also nicht SVCDs statt DVDs brennen?
Das Problem: Die SVCD-Funktion von Toast 6 ist für mich de facto unbrauchbar. Nicht nur, dass das encodieren von Videomaterial (Quicktime, DV-Qualität) nach MPEG2 länger dauert als mit Apples kostenlosem iDVD. Die Qualität lässt zudem arg zu wünschen übrig: Trotz der höchsten Qualitäts-Einstellung in Toast ("besser") gibt es brutale Kamm-Artefakte. Bei Bewegungen sehen die Schauspieler aus, als wären sie von einem riesigen Eierschneider getroffen worden; es gibt ein Nachziehen bei bewegten Bildern. Diesen Effekt konnte ich mit einem SuperDrive Pioneer DVR-105 in einem 1,0-GHz-PowerMac (FW800) mit dem Programm "MacVCD X" und einem neueren stationären Player beobachten, einem Denon DVD-2900, wahlweise mit progessive scan oder interlaced.
Das Phänomen entsteht beim Digitalisieren eines Fernsehbilds über eine (bezahlbare) Capture-Karte oder eine DV-Kamera durch die Bildaufzeichnung des PAL-Fernsehsystems: Ein ganzes Bild wird aus zwei zeitlich verschobenen Halbzeilen-Bildern zusammengesetzt (geradzahlige Zeilen und ungeradzahlige Zeilen). Für die spätere Verwendung am Computer werden Vollbilder benötigt und es gibt verschiedene Ansätze zur Umwandlung der beiden Halbbilder in Vollbilder, um diese Kamm-Artefakte zu verhindern. Soll das Video später wieder am Fernseher ausgegeben werden, kann man es bei den Halbbildern belassen, denn ein PAL-Fernseher arbeitet ja mit Halbbildern. Dass es dennoch zu Kamm-Artefakten kommt kann ich mir nur dadurch erklären, dass Toast eventuell die Reihenfolge der Halbbildern vertauscht. Eine endgültige Antwort habe ich hierauf aber leider nicht. Andere Ursachen außerhalb von Toast sind denkbar, aber eher unwahrscheinlich.
Verwunderlich: Das eben Geschriebene gilt nur für SVCDs (MPEG2), denn bei VCDs (MPEG1), die bereits Toast 5 beherrschte, zeigen sich keine Kamm-Artefakte am Fernseher (ich habe es mit den gleichen Szenen getestet).
Anfangs bereits erwähnt: Toast 6 bietet die Möglichkeit, Videos von einer DV-Kamera zu importieren und als VCD, SVCD oder Video-DVD zu brennen. Auch hier sind die von Toast gebrannten SVCDs mit Kamm-Artefakten verziert.

Die Güte der von Toast gebrannten Video-DVDs kann ich nicht beurteilen: Mein stationärer Player (Panasonic A350) kann sie nicht lesen. Dieses Modell ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, aber er hat mit Discs, die von iDVD gebrannt wurden, keine Schwierigkeiten. Mit SVCDs kommt dieser Player von 1998 generell nicht klar, da mache ich es Roxio natürlich nicht zum Vorwurf, dass SVCDs auf dem Panasonic nicht laufen. Doch auch der erst in diesem Sommer gekaufte Denon-Player kann die von Toast 6 gebrannten Video-DVDs nicht abspielen.
Ein ärgerliches Detail am Rande (wurde mittlerweile in der Version 6.0.3 behoben): Version 6.0.1 von Toast zeigte dem Benutzer nicht an, wie viele Videos er schon zur neuen Disc hinzugefügt hat, sei es in Minuten oder Megabyte. Lediglich eine 90-Grad-Kurve, die den Füllstand blau anzeigt und den noch freien Platz schwarz, gab Auskunft. Damit war es unmöglich einzuschätzen, wie viel Platz auf der (S)VCD/DVD noch zur Verfügung stand oder um wie viele MB man bereits über das Ziel hinaus geschossen war. War die geplante Disc zu voll, erfuhr man dies erst nach dem Klick auf den "Jetzt bitte brennen"-Button.

Hybride CDs
Sehr ärgerlich ist ein weiterer Fall, bei dem es ein Feature nur verkrüppelt in die finale Version geschafft hat: Benutzerdefinierte Hybrid-CDs ("custom hybrid"). Dies ist ein Aspekt, den nicht all zu viele Nutzer des Programms brauchen werden und der weniger populär ist als SVCDs und DVDs. Aber diese Funktion hat ihre Berechtigung und wird von jedem gebraucht, der beruflich in einer Agentur oder als Freelancer CD-ROMs produziert. Das Kuriose dabei ist, dass es diese Funktion bereits in Toast 5 gab und dort klappte alles einwandfrei.
Was ist eine Hybrid-CD? Eine Hybrid-CD kann mit Mac OS X auch aus dem Finder heraus gebrannt werden. Dabei werden die Daten so auf die CD geschrieben, dass sie sowohl im Mac lesbar sind als auch im PC. Eine Hybrid-CD des Finders enthält drei Dateisysteme: HFS+ für den Mac, ISO9660 mit Rock Ridge (ISO9660 ist der kleinste gemeinsame Nenner; Rock Ridge ist eine Erweiterung für lange Dateinamen unter UNIX) sowie Joliet für lange Dateinamen unter Windows. Ob solch eine CD an einem Mac ins Laufwerk geschoben wird, unter Windows oder auf einem Linux-Rechner, ist erstmal egal: Auf allen drei Plattformen gibt es lange Dateinamen zu sehen.
Bei der vom Finder gebrannten Disc sieht ein PC-User Mac-Daten, mit denen er nichts anfangen kann, seien es Mac-Programme oder spezielle Dateien des Betriebssystems wie .DS_Store (Einstellungsdaten von OS X), .Trashes (der Papierkorb) und weitere "Punkt-Unterstrich-Dateien", in denen das Mac OS Meta-Daten wie Type und Creator auf einem FAT-Dateisystem (für Windows) speichert, die am Mac mit HFS+-Dateisystem natürlich nicht zu sehen sind.

Für professionelle Ansprüche genügt das natürlich nicht, und das ist der Grund, ein spezielles Brenn-Programm wie Toast zu kaufen. Toast kann "benutzerdefinierte Hybrid-CDs" erstellen. Legt ein Benutzer solch eine Hybrid-CD in das Laufwerk eines Macs, werden nur die Mac-Daten angezeigt; legt er sie in einen Windows-Rechner, werden nur die PC-Daten angezeigt. Am PC sind keine Punkt-Unterstrich-Dateien oder Mac-Programme zu sehen und am Mac keine .exe-Dateien. Dadurch ist es auch kein Problem, zwei gleichnamige Ordner (z.B. "Xtras") mit unterschiedlichen Inhalten für Mac und PC zu haben.
Der Clou: Gemeinsam genutzte Dateien wie zum Beispiel Videos werden nur einmal auf die CD gebrannt. Für die Produktion von CD-ROMs mit Katalogen die hunderte MB an Videos haben oder Multimedia-Präsentationen wie sie auf manchen Musik-CDs zu finden sind, ist diese Vorgehensweise unerlässlich: Geht gar nicht anders, wenn die Anwendung auf der CD auf beiden Plattformen laufen soll.

Wie bereits weiter oben erwähnt, war das mit Toast 5 kein Akt. Toast 6 besitzt das Feature "benutzerdefinierte Hybrid-CD" ebenfalls und es finden sich auch einige Seiten in der Hilfe zu diesem Thema. In Toast gab und gibt es das Menü "Hilfsmittel" mit dem Eintrag "Temporäre Partition erstellen". In solch ein temporäres Volume werden alle Mac-Daten und die gemeinsam genutzten Dateien kopiert, anschließend fügt man die PC-Dateien einem ISO9660-Bereich hinzu. Gemeinsam genutzte Dateien werden danach vom temporären Mac-Volume in den ISO-Bereich für die PC-Sektion auf der Disc gezogen. Toast markiert die entsprechenden Dateien lila um zu zeigen: "Diese Dateien werden am Mac und PC gemeinsam genutzt und deswegen nur einmal auf die Disc gebrannt". Zum Schluss auf den Brenn-Button geklickt, und schon wird die Hybrid-CD gebrannt.
In Toast 5 ging das, Toast 6 zeigt eine Fehlermeldung: "Einige Dateien konnten nicht gefunden werden. Die entsprechenden Objekte werden entfernt." Im Kasten darunter werden die gemeinsam genutzten Dateien aufgelistet, obwohl Toast 6 im dahinter liegenden Fenster immer noch fröhlich anzeigt, wie viele MB gemeinsam genutzt werden: offenbar gibt's diese Dateien doch.
Da gerät das Blut in Wallung, wenn der Abgabetermin in einer Woche naht und man mit seinem Latein am Ende ist: Die Toast-Version 6.0.3 ist aktuell und am eigenen Rechner scheint's nicht zu liegen, wenn bei einem Kollegen das gleiche Problem auftritt und im Web auch andere Leidensgenossen klagen.
Erneut ein ärgerliches Detail: Anders als in Toast 5 kann für die Mac-Sektion einer benutzerdefinierten Hybrid-CD kein Autostart mehr festgelegt werden.

Eine Lösung - aber nicht von Roxio
Um die Story etwas abzukürzen: Nach einer Google-Suche habe ich in einem Versiontracker-Kommentar einen Workaround gefunden: Die temporäre Partition darf nicht - wie in der Toast-Hilfe angegeben - mit dem Hilfsmittel-Menü in Toast erstellt werden, sondern muss mit dem Festplatten-Dienstprogramm (Disk Utility) von Mac OS X generiert werden.
Ich bitte darum, sich das mal deutlich vor Augen zu führen: Für diesen Fehler gibt es vom Hersteller keinen Patch und es gibt keinen Hinweis auf den Workaround mit Disk Utility um Toast annährend doch so nutzen zu können, wofür man es bezahlt hat. Es gibt auf der Roxio-Website noch nicht mal einen Hinweis darauf, dass dieses Problem besteht! Ich verlange nicht, dass Roxio mit nicht funktionierenden Features Werbung macht, aber ein Hinweis in der Knowledge-Base oder im Support-Bereich ist das Mindeste. Stattdessen darf der Käufer an seinem Verstand zweifeln, eigene Fehlerquellen ausschließen, das Problem auf einem anderen Rechner reproduzieren, und im Web nach ähnlichen Fällen suchen, um dann zufällig bei Google über einen Versiontracker-Kommentar mit der Lösung zu stolpern.
Wenn das kein Armutszeugnis mit Stern am Bande ist, dann weiß ich nicht was.

Ein Fazit in epischer Breite
Daher die klare Empfehlung: Wer Toast 5 bereits besitzt und damit zufrieden ist, kann sich das Geld für das Update sparen und lieber mal lecker Essen gehen. Die neuen Videofunktionen können sowohl in Sachen Performance als auch Kompatibilität und Qualität nicht mit Apples kostenlosem (!) iDVD mithalten, auch wenn das nur DVDs und keine (S)VCDs brennt.
Wer beruflich auf das Erstellen der oben beschriebenen Custom-Hybrid-CDs angewiesen ist - zum Beispiel für die Produktion von CD-ROMs mit Macromedia Director -, kann ebenfalls bei Toast 5 bleiben, denn dort funktioniert das von Roxio beworbene Feature. Ansonsten dürfen sich Freelancer und Agenturen bei einer Neuanschaffung schon mal seelisch auf die Umstellung ihres Workflows vorbereiten.

Angenommen, es würde alles so funktionieren, wie es soll, würde sich das Update dann lohnen? Ja, aber der Weg dahin scheint mir steinig zu sein. Die Sache mit den Custom-Hybrids ging ja schon in Toast 5, das könnte Roxio schnell in den Griff bekommen. Für eine Funktion, die in Toast 5 schon da war, lohnt es sich aber noch nicht, ein Update zu kaufen.
Würden die Videofunktionen so arbeiten wie erwartet, dann lohnte sich auch das Update, wenn man auf diese Features Wert legt. Allerdings sind die Video-Features in Toast 6 eine größere Baustelle: Kamm-Artefakte bei SVCDs und mangelhafte Kompatibilität bei DVDs. Evtl klappt das in einem Update 6.1, 6.2, 6.5 oder wie immer man es nennen will. Ich hoffe nicht, in einigen Monaten erleben zu müssen, dass Toast 7 vorgestellt wird - mit einer "Product Comparison"-Tabelle und "Improved!"-Hinweisen bei den Video-Funktionen wie jetzt beim Vergleich Toast 5 gegen 6 auf der Roxio-Website.
SVCD und DVD-Video in Toast 6 sind Schrott, und ich möchte nicht bei Toast 7 erneut für Funktionen bezahlen, die bereits mit dieser verkorksten Version beworben wurden und hätten funktionieren sollen.
Positiv anzumerken ist, dass zumindest die VCD-Funktion nicht verschlechtert wurde.

Wenn Roxio wieder Pluspunkte bei mir sammeln will, gehört jedoch mehr dazu als ein funktionierendes Produkt. Ein Anfang wäre mal eine funktionierende Kunden-Kommunikation: Weniger Selbstbeweihräucherung auf der Website, welche Features alle "New!" und "Improved!" sind sowie das Eingestehen eines Fehlers (z.B. Custom-Hybrid klappt derzeit nicht), der Hinweis auf einen Workaround (Disk Utility) und das Avisieren eines Wartungsupdates (wann kann man in etwa mit 6.0.4 rechnen, das diesen Fehler behebt?).
Und für die Zukunft sollte Roxio seine neuen Versionen besser etwas länger reifen lassen, statt halbfertige Produkte auf den Markt zu werfen – denn diese Fehler (schlechte SVCD-Qualität, unbenutzbare Video-DVDs, kein Brennen von Custom-Hybrids) hätten bei Roxio auffallen müssen.

Letzte Worte: Disclaimer
Wie eingangs erwähnt, bringt Toast 6 noch andere Funktionen mit, die hier aber nicht Gegenstand der Betrachtung waren. Möglich, dass "Deja Vu", das "ToastIt"-Kontextmenü und die anderen neuen Funktionen prima funktionieren, auch wenn ich nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Toast 6 dafür nicht meine Hand ins Feuer legen würde. Diese kurze Betrachtung greift nur einen kleinen Teil von Toasts Funktionsumfang heraus und ist nicht als umfassender Test zu verstehen. Dieser kleine Teil ist aber für mich und viele andere wesentlich.


Hat jemand andere Erfahrungen mit Toast 6 gemacht? Keine Kamm-Artefakte bei SVCDs, abspielbare Video-DVDs und problemloses Brennen von custom Hybrid-CDs? Die Kommentarfunktion nimmt gerne weitere Meinungen, Erfahrungsberichte und Lösungen entgegen.

Stefan Freimark, my-two-cents.de für Mac-TV.de
27.11.2003