Ratgeber: Mehr Spaß in Web-Foren

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser noch an unseren unverzichtbaren Troll-Ratgeber. Diese Ratschläge gehören längst zur Standard-Ausstattung eines jeden halbwegs ehrgeizigen Trolls. Doch seitdem hat sich viel verändert. Daher wird es höchste Zeit, einen neuen Trend zu setzen und in den müden Foren wieder für mehr Heiterkeit zu sorgen.


Apple-Fans können in den einschlägigen Foren nicht Großväterchens Troll-Methoden anwenden, ohne sich zu blamieren. Als Apple-Jünger müssen wir auch in den Foren die Idee von Innovation und Kreativität verkörpern. Folglich brauchen wir ein paar neuartige Methoden, uns in den Forumsschlachten siegreich zu bewähren. Hier sind sie.


Die alte Garde

Noch immer gibt es den ehrwürdigen, herkömmlichen Troll, der versucht, mit allerlei Sticheleien für Unruhe zu sorgen. Das ist respektabel, aber leider viel zu schnell entlarvt. Der übliche „PC-gegen-Mac“-Flamewar ist so alltäglich geworden, dass kaum noch jemand darauf hereinfallen sollte. Mit der Zeit hat sich eine neue Gattung herausgebildet: „Die Besorgten“. Das sind (angeblich) langjährige Mac-Anwender, die nur um eine Katastrophe zu verhindern den Finger in die Wunde legen – jene Wunden, die wir nur alle zu gut kennen, aber die man deswegen trotzdem nicht zwischen Knäckebrot und Milchkaffee lesen möchte. Die Besorgten fangen meist folgendermaßen an: „Ich bin Mac-User seit 1847. Seitdem habe ich 164 Macs gekauft und den Mac stets gegen den PC verteidigt. Aber jetzt muss ich mich an die Öffentlichkeit wenden, denn ich mache mir ernsthaft sorgen um das Überleben der Plattform.“ Dann folgt die übliche Litanei.

Eine Abwandlung davon sind „die Befreiten“. Sie beginnen ihren Text etwas anders: „Helau! Wollte nur schnell Tschüß sagen an alle hier, die mir so oft geholfen haben! Aber ich habe jetzt doch beschlossen, einen PC zu kaufen. Versteht mich nicht falsch, das soll kein Flamewar werden. Aber nachdem Apple uns professionelle Anwender nicht mehr unterstützt, werde ich eben umsteigen. Ich muss sagen, die Angebote bei den PCs sind einfach besser. Schneller, günstiger, und zukunftssicher. Naja, werdet Ihr auch noch sehen. Aber jedem das, was er sich zumuten will. Also, macht’s gut!“

Ein Befreiter ist so um die 800 Seitenaufrufe wert und erreicht etwa 15 bis 35 Antworten. Etwas mehr schafft eine Gattung namens „die Erleuchteten“. Ein Erleuchteter ist die missionarische Ausgabe eines Befreiten. Er will seine segensreiche Entdeckung unters Volk bringen, die darin besteht, dass das Heil bei den Dosen zu suchen ist, und er hat es gerade eben herausgefunden. Heißa und juchhee! Alle sollen teilhaben an dem neuen Glück: „Habe mir nur mal so aus Neugier den PC aus’m ALDI geholt, und was soll ich Euch erzählen? Sa-gen-haft das Ding! Ihr glaubt es nicht! DVD-Brenner, 3 GHz, alle Schnittstellen, leise, massenhaft Software und alles für nur 300 Euro! Komplett!“

Ein Erleuchteter sollte im Schnitt um die 50 Antworten generieren. Die eine Hälfte der Antworten zischt ihm ein giftiges „Dann hau’ doch ab mit dem Ding, Du Verräter!“ entgegen, die andere Hälfte beginnt eine engagierte Diskussion, was Apple falsch macht und dass dringend etwas passieren muss.

Die Besorgten, Befreiten und Erleuchteten (BBEs) sind Mutanten des herkömmlichen Trolls. Anstatt eine direkte Konfrontation anzuzetteln, suchen sie den Schulterschluss. Die Leser selbst sollen in der Diskussion in die Rolle des Kritikers schlüpfen, etwa: „Was? Bei Aldi gibt es für 300 Euro, was Apple nur im Spitzenmodell für 3.000 Euro anbietet? Mann, Apple sollte endlich aufwachen! Es muss was passieren, aber sofort!“

Die BBEs waren allerdings nur die erste Morgenröte eines ganz neuen Trends, den wir hiermit unserer Leserschaft vorstellen wollen.


Der neue Trend

Die ganz modernen Trolle haben herausgefunden, dass es völlig müßig ist, sich wohlfeile Argumente und Strategien auszudenken, um ein Forum zum Erliegen zu bringen. Denn ob ein Forum vor lauter Empörung und Diskurs lahm liegt, oder einfach deshalb, weil die ohnehin vorhandenen Diskussionen zum Versickern gebracht werden, ist egal. Man kann auf diese Weise sogar Ansehen in der Forumsgemeinschaft erlangen. Und viel schöner: Man muss vom Thema nicht mal einen Funken Ahnung haben. Das bedeutet: Die neuzeitlichen Trolle sind überall gerne zuhause.

Das Prinzip ist verblüffend einfach: Anstatt sich bei einer Diskussion mit analytischer Schärfe einzumischen („Apple: Quo vadis?“), tut man genau das Gegenteil: Man schreibt etwas völlig Zusammenhangloses, das aber doch scheinbar seinen Quell im Posting eines Forumsteilnehmers hat.

Beispiel: Jemand fieselt mit großer Mühe die jüngsten Machenschaften von Microsoft auseinander und führt einen scharfsinnig hergeleiteten Beweis, dass Microsoft in Begriff ist, die Regierung der Vereinigten Staaten zu übernehmen und Steve Ballmer als hüpfenden Präsidenten einzusetzen. Er endet mit dem flammenden Appell ans Forum: „Freunde! Genossen! Reichen wir uns die Hände, damit die Welt noch gerettet werden kann! Stehen wir alle zusammen! Du, ich, wir alle! Gemeinsam sind wir stark! Gemeinsam können wir es schaffen! -- Was denkt Ihr?“

Daraufhin antwortet man einfach: „Genau. Übrigens komme ich an meine Mails mit Entourage nicht mehr ran. Weiß jemand Rat?“

Das lenkt die Diskussion so pervers in eine andere Richtung, dass der flammende Appell des Vorredners völlig verpufft.

Wichtig ist, dass die Antwort in Zusammenhang steht mit dem ursprünglichen Posting, in diesem Beispiel über das Stichwort „Microsoft“. Eine alternative Antwort hätte auch lauten können: „Microsoft? Ich hatte mal Word 4.0. Oder war es 2.0? Egal, jedenfalls war es nicht dazu zu bewegen, meine Etiketten sauber zu bedrucken. Entweder zu weit links oder zu weit rechts. Mit LaTex geht das ohne Probleme. Wie stellt man in LaTex eigentlich die Proportionalschrift aus?“

Das sollte ausreichen, um eine aufkeimende Diskussion zu ersticken oder mit Ödnis zu füllen. Bestimmt ist jemand doof genug und schreibt eine kleine Abhandlung über Proportionalschrift in LaTex, natürlich nicht ohne darauf zu verweisen, dass alles außer LaTex nur was für Kinder sei. Oder es merkt jemand an, dass Word 2.0 einen fehlerhaften Tabelleneditor hatte, zumindest in der PC-Version. Wie auch immer, es entsteht unter Garantie ein völlig unergiebiger Austausch an Nichtigkeiten, bei dem ein paar Wichtigtuer sich gegenseitig Haare spalten.


Improvisation

Falls diese unauffälligen Maßnahmen einmal nicht greifen sollten, kann man eine Diskussion manchmal sprengen, indem man auf ein gemeinsames Stichwort verzichtet und völlig frei improvisiert.

Beispiel gefällig? Jemand schreibt: „Ha! Bill Gates hat seine Entwickler in einer Mail angewiesen, Aqua zu kopieren!“ Darauf könnte man antworten: „Weiß nicht zufällig jemand, wo ich einen 50er-Jahre-Kühlschrank bekomme?“ Sicherlich hängt sich jemand dran und faselt etwas von Design, und dass er auch einen suche. Ist das nicht der Fall, kann man weiter improvisieren, möglichst mit einem Thema, welches viele Leute berührt. Aber nicht zu auffällig! Man fügt zum Beispiel an: „Habe mir schließlich nicht umsonst einen Audi TT gekauft“. Was zur Hölle haben beide Dinge miteinander zu tun? Nichts, aber sicher wird jemand antworten: „Hehe, der TT ist doch was für Luschen, die mit Corel Draw arbeiten.“ Worauf jemand informiert, dass alleine der „Audi A6“ den Ansprüchen eines wahren Designers standhalten könne. Die Worte „Corel Draw“ wird bestimmt den einen oder anderen Klugscheißer auf den Plan rufen, der uns über professionelles Arbeiten unterrichtet, und auch jemanden, der ausruft: „Wenn schon, dann einen Beetle!“ Wenn man etwas Glück hat, erzählt ein Profi aus der Druckvorstufe etwas über die blöden Kunden, die mit Corel-Dateien in die Druckerei kommen, diese Deppen. Erinnert sich noch jemand an das ursprüngliche Thema des Threads?

Man sieht: Der moderne Troll sucht nicht die Konfrontation, sondern er gibt sich freundlich, kommunikativ und unbekümmert. Es herrscht der Plauderton, nicht der erhobene Zeigefinger -- und schon gar nicht die in runzlige Sorgenfalten gelegte Denkerstirn. Der moderne Troll ist fröhlich und beliebt!


Atomisierte Nebengleise

Eine weitere Variante ist die der übertriebenen Pingeligkeit. Auch sie führt dazu, die Diskussion auf ein Nebengleis zu führen. (Daher hat diese Methode auch den Namen „das pingelige Nebengleis“, aber das ist was für Insider.)

Beispiel: „Verdammt! Soll ich bei eBay diesen blauen iMac kaufen, oder doch lieber warten und den mit TFT nehmen?“ Antwort: „Das war nicht blau, sondern Indigo.“ Hoffentlich schreibt dann jemand: „Igitt, wenn schon, dann den roten!“ Dann könnte man entweder pingelig antworten: „Das war Ruby“, oder man führt das Thema weiter weg mit „Obwohl das ja eigentlich lila war, wenn man’s genau nimmt.“ In diesem Fall hätte keine einzige Antwort im Thread einen Bezug zum vorhergehenden Posting. Man könnte noch abschließen mit: „Die werden ja in Asien hergestellt“, um es perfekt zu machen.

Wenn innerhalb eines Threads kein Posting zum anderen passt, spricht man von „Atomisierung“. Die Atomisierung ist die höchste Kunst und nicht leicht zu erreichen. Es ist, wenn alle User sich zu einem gemeinsamen Thread zusammenfinden und konsequent aneinander vorbeireden.

Beispiel: „Hilfe, meine Festplatte macht Geräusche!“ – „Ich kaufe schon lange keine mehr von IBM!“ – „Was kann man da machen?“ – „Meine Seagate ist superleise!“ – „Apple verbaut ja nur IBM.“ – „Weiß jemand, ob IBM schon den PPC 970 produziert?“ – „Und Maxtor, die ist bei mir drin.“ – „In den G5 passen ja nur zwei rein.“ – „Der PPC 970 kommt wohl erst an Weihnachten.“ – „IBM habe ich als erstes rausgeschmissen, lies mal die ct!“

Es wurde bis jetzt fälschlicherweise angenommen, dass solcherlei bizarre Dialoge ganz natürlich entstehen. Heute wissen wir, dass die Hilfestellung eines Trolls das auslösende Moment war für die fatale Wendung in die Bedeutungslosigkeit.

Solche unbemerkte Einflussnahme ist möglicherweise etwas für Fortgeschrittene. Der Anfänger muss sich einfach merken, dass er das zentrale Subjekt des ursprünglichen Postings aufnehmen und in einen ganz neuen Kontext stellen muss. Man muss allerdings peinlich genau darauf achten, dass man das Subjekt des Postings haarscharf verfehlt und dann frei assoziiert, was einem gerade einfällt. Beispiel: Bei einem Pamphlet über die Machenschaften von Microsoft müsste man eigentlich auf diese Machenschaften eingehen, aber stattdessen geht man (haarscharf daneben) auf Microsoft ein und assoziiert frei (man kramt eine Geschichte über Word 2.0 hervor). Mit ein wenig Übung lassen sich so die haarsträubensten Verknüpfungen zu fast jedem beliebigen Thema herstellen.

Anfänger gelangen besonders schnell zu den ersten Erfolgserlebnissen, wenn sie sich an interessante, aber technisch eher anspruchsvolle Debatten dranhängen. Nur keine Scheu! Die Leserschaft wartet in solchen Threads geradezu darauf, dass sie mitdiskutieren kann, folglich wird die Randbemerkung zum Audi TT oder zu Word 2.0 dankbar aufgenommen – und schon geht’s los. Die Meute besorgt den Rest. Den Thread kann man genüsslich abhaken.

Es sei zum Schluss noch darauf hingewiesen, dass sich das Mac-TV-Forum für die nötigen Übungen, die man zur Erlangung einer gewissen Reife oder gar Perfektion braucht, nicht als Versuchsfeld eignet. Aber es gibt ja noch andere Foren...

Nichts wie hin!