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Apples wahres Kronjuwel


Wenn man an eine GUI denkt, denkt man zuerst an die Maus und an Fenster. Aber Apple besaß etwas viel wertvolleres: den Desktop. Es war jene graue Fläche, die einfach „da“ zu sein schien, weil halt zwangsläufig irgendetwas im Hintergrund sein musste. Beim Macintosh war der Desktop aber eine zentrale Arbeitsfläche. Fenster konnten beliebig darauf platziert, vergrößert und verschoben werden. Die Fenster konnten sich überlappen und es gab sogar einen Mülleimer. Dokumente, an denen man gerade arbeitete, legte man einfach mal auf den Desktop ab, um sich seine Arbeit zu organisieren. Man stelle sich vor, es gäbe den Desktop nicht! Wohin mal eben mit dem Entwurf, wohin mit der kleinen Grafik, die man später in einen Text einfügen will. Der Desktop als zentrale Ablage war so intuitiv und so einleuchtend, dass ihn kaum jemand bemerkte. Aber wehe, wenn er fehlte! Dann war alles gleich viel komplizierter und ungemütlicher.

Und genau dieses Schicksal war Windows beschieden. Es hatte keinen Desktop. Man konnte nicht einmal Fenster übereinander schieben. Windows 1.0 basierte auf dem Konzept, dass alle Fenster immer den ganzen Bildschirm einnahmen. Das bedeutete: Wenn man ein Fenster verkleinerte, wurden die anderen Fenster entsprechend größer. Das ganze sah weniger aus wie „Fenster“, sondern wie „Kacheln“. Es war nicht möglich, ein Fenster zu ändern, ohne dass sich alle anderen Fenster ebenfalls änderten. Einen Desktop gab es folglich auch nicht. Und selbst für dieses erbärmliche Konzept musste sich Microsoft die Erlaubnis von Apple einholen. Ich komme gleich darauf zurück.

Microsoft war nicht die einzige Firma, welche die Genialität des Macintosh erkannt hatte. Der Atari ST, ein Meilenstein der Computergeschichte und zu Recht einer der legendärsten Computer, die jemals gebaut wurden, war im Grunde nichts anderes als ein „Mac for the masses“. Die Firma Digital Equipment hatte einen GUI-Aufsatz entwickelt, der sich verschiedenen Betriebssystemen überstülpen ließ. Das machte den Atari ST quasi zu einem Mac-Klon, jedenfalls optisch. Die Oberfläche namens „GEM“ gab es sogar für PCs, zum Beispiel für den in Deutschland ungemein erfolgreichen „Schneider PC“, einem der ersten DOS-PCs mit GUI. Der Vorteil von GEM war, dass es mit vergleichsweise wenig Leistung auskam. Das konnte man von Windows nicht gerade behaupten, denn es war so langsam, dass man es nur auf den teuersten Maschinen halbwegs brauchbar einsetzen konnte.

Apple setzte diesem Treiben bald ein Ende. Nach einem Gerichtsurteil war es unter GEM forthin nicht mehr erlaubt, einen Desktop und überlappende Fenster anzubieten, und es erschienen statt dessen zwei starre Fenster, die in Größe und Position nicht verändert werden konnten. Das war der Todesstoß für GEM.

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Die Kapitel des Beitrags:

• Wie sich Apple von Microsoft über den Tisch ziehen ließ und dabei ein Imperium verlor (3)

• Apple verbaut Microsoft den Weg

• Apples wahres Kronjuwel

• Steve Jobs übertölpelt Bill Gates  (hier geht's weiter)

• Bill Gates übertölpelt Sculley

• Windows 2, 3 und 95: Frontalangriff auf den Macintosh

• Was tat Apple?