Fenster schliessen
 | RSSImpressum | Login logo
logo



Erster Akt: Die Erlaubnis


Anfang Juni fragten wir bei Apple nach, ob es sich nach deren Einschätzung für Mac-TV und für unser spezielles Medium lohnen würde, wenn wir nach Berlin zur Übertragung der Keynote kommen würden. Ohne näher auf die Frage einzugehen, lud uns Apple ein.

Die Presseabteilung wird von zwei Leuten betreut: Chef ist Georg Albrecht, Hilfe bekommt er durch Frank Limbacher. Letzterer schrieb am 3. Juni 2003 folgendes:

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie können die Kamera mit hineinnehmen, sofern Sie die Veranstaltung selbst nicht zum Gegenstand Ihrer Berichterstattung machen - es sind Journalisten, Partner und Kunden aus ganz Europa eingeladen und die mögen es nicht besonders, mit vollem Mund am Buffet abgefilmt zu werden... Kleine Ausschnitte der Keynote im Sinne eines Zitates sind okay, aber kein 1:1 Abfilmen, kein Live-Streaming und keine Vorankündigung Ihres Beitrags auf Ihrer Website (sonst ist der Stress beim Einlass vorprogrammiert, wer nicht auf der Gästeliste steht, kommt nicht rein). Wir bieten Ihnen ein Interview mit Herrn Niederländer an, inhaltlich hat die WWDC sicher genügend Gesprächsstoff zu bieten.“

Diese Beschränkungen kamen für uns nicht in Frage, erstens weil wir ein Live-Medium haben und nicht am nächsten Tag mit jenen News rauskommen können, die seit gestern in allen Tickern stehen. Zweitens kündigen wir auf unserer Webseite an, was wir wollen. Folglich unternahm ich einen zweiten Versuch.

Ich schrieb zurück an Herrn Limbacher:

„Hallo Herr Limbacher,
vielen Dank für die Einladung. Die damit verknüpften „Bedingungen" würde ich gerne noch etwas verfeinern. Alle Websites, die halbwegs relevant sind, berichten an diesem Tag
live. (...) Daher müssen auch wir live berichten. Wir können auf keinen Fall erst am nächsten Tag mit einem Schnipsel von Herrn Niederländer daherkommen. Wenn ein Live-Bericht per Kamera nicht möglich ist (wobei die Gründe völlig im Dunkeln liegen), könnten wir eine Telefon-Reportage machen: Live, wann wir wollen und was wir wollen. (Das entspricht dem, was alle anderen Journalisten an dem Tag tun werden.)“

Antwort von Pressechef Georg Albrecht:

„Einverstanden, eine Telefon-Audio-Live-Übertragung ist okay. (...)Wenn Sie auf die Nennung des Aufnahme-Ortes verzichten, haben wir nichts gegen eine Ankündigung auf Ihrer Website.“

Ich versuchte weiterhin, eine Erlaubnis für einen vollwertigen Video-Stream zu bekommen (was ist schon dabei?) und bot an, den Stream auf eine bestimmte Zuschauergruppe einzugrenzen, zum Beispiel auf registrierte User von Mac-TV und auf bestimmte Länder, nämlich Deutschland, Österreich, Schweiz (DACH). Das hätte bedeutet, dass es nicht das große, weltweite Giga-Event gewesen wäre, sondern ein kleiner, feiner Stream für ein paar Fans. Ich schrieb:

„ Sofern keine allzu große Breitenwirkung der Keynote erwünscht ist, kann ich anbieten, den Broadcast nur auf zahlende User zu begrenzen und nicht willkürlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Solche Streams würden dann nur für Deutschland, Österreich, und für die Schweiz angeboten. Streams lassen sich außerdem nicht abspeichern.
Dies käme einer "lokal begrenzten Sendeerlaubnis" gleich. In den USA z.B. würde keiner etwas davon bemerken. Es entsteht keine Datei, die unkontrolliert verwendet oder weitergegeben werden kann.“

Pressechef Albrecht war damit nicht einverstanden und schrieb:

„Wir möchten die Keynote der kommerziellen Nachverwertung durch Dritte (Distribution auf CDs, als Bezahlt-Stream) entziehen. Der Geist bleibt in der Flasche.“

Ich schlug vor:

„ Wenn das nicht per Video geht, möchten wir eine Telefonreportage ohne inhaltliche Einschränkung machen. Die Keynote zeichnen wir dann zusätzlich als Video auf und
senden daraus etwas später einige Ausschnitte. Könnten Sie bitte noch mal prüfen, ob das möglich ist?“

Herr Albrecht antwortete darauf:

„Sie können wie gesagt, die Keynote per Telefon ohne Einschränkungen live übertragen und zugleich komplett per Video aufnehmen, um später daraus Ausschnitte zu zeigen - am besten in redaktioneller Aufbereitung. Eine 1:1-Live-Video-Übertragung oder -Wiedergabe als Aufzeichnung möchten wir dagegen nicht sehen. (Apple wird die WWDC-Keynote vermutlich ohnehin selbst über die Website anbieten - sofern nicht live, so doch später als Aufzeichnung).“

Diese Zusage war einerseits weniger, als ich erreichen wollte, da wir kein Bild hatten. Andererseits hatten wir nun immerhin den Ton absolut sicher, und zudem noch ohne jegliche Einschränkungen. Selbst die lokale Begrenzung, die ich selbst vorgeschlagen hatte, war nicht enthalten, sondern dies war eine Erlaubnis, den Stream nach unserem Gutdünken zu verwenden, wenn auch nur als Telefon-Übertragung. Die Erlaubnis wurde ohne Vorbehalt gegeben.

Ich habe darauf hin einige Tage verstreichen lassen, damit nicht die Situation entsteht, dass die Erlaubnis gleich wieder zurückgezogen wird (z.B. vom Geschäftsführer oder aus Cupertino), und wir hätten das Ding schon groß veröffentlicht. Man wird sich erinnern, dass knapp zwei Wochen lang immer wieder bei uns zu lesen war, es sei alles noch nicht sicher, usw. Dabei hatten wir immerhin die Erlaubnis für einen Telefon-Stream längst in der Tasche. Aber wir wollten ganz sicher gehen. In der Zwischenzeit hatten wir die umfangreichen Vorarbeiten begonnen, die für so einen Stream nötig sind.

Weiter »


Die Kapitel des Beitrags:

• Erster Akt: Die Erlaubnis

• Zweiter Akt: Der Blanko-Scheck  (hier geht's weiter)

• Erstes Fazit

• Dritter Akt: Die Rücknahme

• Vierter Akt: "Andere" Websites

• Fünfter Akt: Apple macht die Schotten dicht

• Sechster Akt: Der Anwalt eilt zur Hilfe

• Siebter Akt: Kurze Besinnung

• Achter Akt: Das Finale

• Keynote-Stream: Hinter den Kulissen von Apple Deutschland