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Vierter Akt: "Andere" Websites


Nachdem bis zu diesem Zeitpunkt (Dienstag, 12:20 Uhr) immer noch nicht klar war, wo überhaupt das Problem lag, gab uns Herr Albrecht einen weiteren, angeblichen Grund bekannt:

"Ich bekomme jetzt auch Anfragen von anderen Websites, deswegen: Keiner kann einen Live-Feed der Keynote anbieten." (Mail vom 17.6.2003, 12:20 Uhr)

Dies war ein höchst interessanter Wendepunkt. "Andere Websites" schalteten sich ein. Nicht nur das: Offenbar war dies auch ein Grund dafür, dass die "Sendeerlaubnis" generell zurückgenommen wurde. Weil das recht mysteriös ist, wird man sich zwangsläufig fragen, um welche Websites es da geht, und was genau passiert ist.

Am gleichen Tag, etwa gegen 11 Uhr, verblüffte die Website "Macnews" ihre Leser mit der Behauptung, man habe ebenfalls einen Stream anbieten wollen. Sieh mal an! Die Anfragen bei Apple stammten also von Macnews. Das ist nicht verwerflich, aber interessant ist es allemal.

Macnews hat in besagter Mitteilung an die Leser verlauten lassen, Apple sei jetzt zum großen Glück so nett gewesen, einen Stream zu erlauben. Und was passiert? Mac-TV tanze mal wieder aus der Reihe, wolle den Stream international verhökern, und hätte es damit geschafft, dass der Stream zurückgezogen wird. Macnews hätte hingegen vorgehabt, einen kostenlosen Stream zu realisieren.

Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf gegenüber Mac-TV. Aus dem Schriftwechsel mit Apple geht allerdings klar hervor, dass unser Stream ausdrücklich nicht regional beschränkt war. Insofern hat Mac-TV hier ein reines Gewissen.

Die Behauptung von Macnews gegenüber ihren Lesern, man habe einen eigenen, kostenlosen Stream realisieren wollen, war nachweislich gelogen und diente nur dazu, Mac-TV zu diskreditieren. Warum war es gelogen? Nun, wer einen frei verfügbaren Gratis-Stream anbietet, hat die gesamte weltweite Community auf dem Hals. Macnews hat bei weitem (!) nicht die Kapazität, diesem Ansturm gerecht werden zu können.

Woher wissen wir das? Wir wissen das wegen zweier Umstände. Erstens: Um den Stream anbieten zu können, müssen die User erstmal eine Website besuchen und mindestens einen Link o.ä. anklicken. Wieviele User würden also Macnews besuchen, um auf den Link zu klicken? Apples eigene Live-Streams werden ca. 16.000 bis 18.000 mal gesehen. Diese Keynote (sozusagen die G5-Keynote) dürfte eventuell noch mehr Interesse hervorrufen. Selbst wenn nur 10.000 User die Homepage von Macnews aufriefen, würde die Site sofort in die Knie gehen. Das Forum macht bei Macnews bekanntermaßen ab ca. 300 Usern schlapp (wobei diese Zahl über einen Zeitraum von ein bis zwei Stunden gemessen wird, die tatsächliche gleichzeitige Besucherzahl ist niedriger). Es dürfte kein Zweifel bestehen, dass 10.000 gleichzeitige User auf keinen Fall von Macnews bewältigt werden können. Man steigert sich nicht von 300 Usern auf 10.000 User, indem man zwei Server anschafft. Das ist absurd.

Und hier geht es noch gar nicht um die Streams. Es geht lediglich darum, den Usern den passenden Link anzuzeigen. Selbst das würde angesichts dieses Ansturms nicht funktionieren.

Was ist also mit den Streams? Macnews hat keinerlei Möglichkeit, den Zutritt zum Stream zu begrenzen. Das bedeutet: Sobald der Stream veröffentlicht wird, hat Macnews die ganze Welt an der Backe. Und Macnews verfügt nicht über die Server- und Leitungskapazität, um so ein Event durchzuführen -- bei weitem nicht. Sie bräuchten also Hilfe. Es gibt in Deutschland exakt zwei Dienstleister, die einem bei so großen Bandbreiten wenigstens teilweise helfen können, und wir haben deren gesamte Quicktime-Kapazität gebucht und gebündelt. Macnews hätte dort also nicht mehr buchen können.

Für so ein Unterfangen braucht man nicht nur viel Geld (das hat Macnews zweifellos), sondern auch viel Erfahrung und die richtige Technologie. Selbst bei Mac-TV, wo wir logischerweise einen großen Vorsprung bei dieser Erfahrung haben, waren umfangreiche Vorkehrungen nötig, um diesem Event gewachsen sein zu können. Wir haben uns vor allem auf die Begrenzung der Zuschauermenge konzentriert und z.B. genaue Kontingente geschaffen, die per Vorverkauf gebucht werden mussten, damit ein zu hoher, plötzlicher Ansturm möglichst vermieden werden kann, usw. Weiterhin ergibt sich eine Reduzierung des Publikums schon durch die Notwendigkeit der Bezahlung. Wir haben außerdem bekannt gegeben, dass wir für die Dauer des Streams unsere Website stilllegen würden. Warum? Na, weil unsere üblichen Dienste diesen Ansturm sowieso nicht gewachsen gewesen wären. Diese radikale Lösung käme für Macnews nicht in Frage. Sie verdienen an den Seitenaufrufen. Logischerweise würden sie die eigene Site nicht stilllegen. Wir hätten hingegen an den Streams verdient, daher wäre die Website für uns nicht wichtig gewesen, mal abgesehen von zwei Login-Feldern. (Wir wollten aber ohnehin den Usern einen direkten Zugang zum Stream per Email schicken, sodass ein Besuch unserer Website gar nicht nötig gewesen wäre.)

Ein unbegrenzter Zutritt bedeutet ein unkalkulierbares technisches und finanzielles Risiko. Wenn Macnews tatsächlich 10.000 Zuschauer schafft (was unmöglich sein dürfte): Was ist, wenn's 12.000 werden? Oder 18.000? Wenn die Kapazität für 10.000 Streams reichen, bricht alles zusammen sobald weitere Zuschauer dazukommen. Selbst wenn man über unbegrenzte Kapazität verfügen würde, wäre es finanziell ein Fass ohne Boden: Leicht können aus 5.000 Zuschauern 15.000 werden. Und Macnews müsste jeden einzelnen Stream bezahlen. Nur wer pro Stream auch Einnahmen hat, kann das schaffen. Ansonsten ist das Risiko zu hoch. Man verspricht kein Freibier, wenn man nicht weiß, ob 1.500 oder 15.000 Gäste kommen.

Durch Werbung lassen sich diese hohen Kosten auf keinen Fall wieder einspielen. Außerdem ist es fraglich, ob die Werbekunden einverstanden wären, wenn sie plötzlich Unmengen von Bannern bezahlen müssten, die zu 90% von Usern gesehen worden wären, die nicht mal deutsch sprechen.

Streaming, zumal in dieser Größenordnung, ist eine komplizierte Sache. Sogar Apple hat Jahre gebraucht, bis die Keynotes ruckelfrei übertragen werden konnten. Sowas stellt man nicht mit ein paar Mausklicks auf die Beine.

Und weil es wenige Leute gibt, die diese Kenntnisse haben, kam es Macnews gerade recht, ihren Usern das Märchen vom Gratis-Stream aufzutischen, um Mac-TV zu diskreditieren. Und in der Tat brach ein Sturm der Entrüstung über Mac-TV herein. Das hat ja bestens geklappt.

Ich bin den Zank zwischen Macnews und Mac-TV wirklich leid, aber wenn unsere Reputation derart dreist angegriffen wird, müssen wir wenigstens die Fakten darlegen dürfen. Dann soll sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Also, die Fakten liegen hiermit auf dem Tisch. Wir haben in dieser Sache gemäß der vorliegenden Unterlagen jedenfalls eine weiße Weste, und Macnews hat gelogen, dass sich die Balken biegen. Wenn es schon Zank gibt, dann sollte wenigstens dieser Unterschied klar sein.

Apples Email legt die Interpretation nahe, dass offenbar irgendeine Website einen derartigen Aufstand gegen die Exklusivität unseres Stream gemacht hat, dass es denen dann einfach zu viel Theater wurde, und daraus ergab sich mindestens eine teilweise Begründung für die Rücknahme der Erlaubnis. Und die einzige Website, die öffentlich verkündet hat, man wolle nun plötzlich ebenfalls einen Stream anbieten, war Macnews.

Es ist zwar nicht illegal, wenn eine Website versucht, der anderen Website in die Suppe zu spucken. Aber wenn Macnews solange gegen unseren Stream interveniert hat, bis dieser gekippt wurde, dann wissen die Zuschauer wenigstens, wo man sich bedanken muss.

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Die Kapitel des Beitrags:

• Erster Akt: Die Erlaubnis

• Zweiter Akt: Der Blanko-Scheck

• Erstes Fazit

• Dritter Akt: Die Rücknahme

• Vierter Akt: "Andere" Websites

• Fünfter Akt: Apple macht die Schotten dicht  (hier geht's weiter)

• Sechster Akt: Der Anwalt eilt zur Hilfe

• Siebter Akt: Kurze Besinnung

• Achter Akt: Das Finale

• Keynote-Stream: Hinter den Kulissen von Apple Deutschland