Fenster schliessen
 | RSSImpressum | Login logo
logo



Was geht da vor?


Ein Vergleich beim Online-Dienst der deutschen Musikwirtschaft offenbart das gleiche Dilemma. Das ist einerseits ganz gut, weil es zeigt, dass das magere Angebot offenbar nicht die Schuld von Apple ist. (Das hätte auch keiner vermutet.) Andererseits lässt es erahnen, dass noch große Hürden zu überwinden sind, bis der deutsche Musikkatalog tatsächlich online zur Verfügung steht.

Das liegt womöglich daran, dass die Verlage kein Recht haben, die Musik ihrer Künstler online zu vertreiben. Ähnlich war es bei der Einführung der CD: Hier mussten die Verlage mit jedem einzelnen Künstler aushandeln, ob und zu welcher zusätzlichen Vergütung die Musik auf CD gepresst werden durfte.

Zweitens kommt ein Effekt hinzu, den ich „das Mysterium der zweiten Platte“ nenne, und den ich von Dieter Bohlen geklaut habe. Ja, das ist peinlich! Aber der Mann versteht etwas vom Musikgeschäft, und vielleicht ist es hier aufschlussreich. Das „Mysterium der zweiten Platte“ funktioniert folgendermaßen: Man nehme ein Projekt, mit dem keiner etwas zu tun haben wollte, weil die Chancen auf Erfolg gering sind. Das Schöne ist: Alle lassen einen in Ruhe arbeiten, keiner mischt sich ein. Nun wird das Ding ein Hit, und eine zweite Platte muss her. Plötzlich hat man hundert Wichtigtuer an der Backe, der Star bekommt Allüren, und alle Beteiligten wollen mehr Geld, mehr Einfluss und vor allem eine grundsätzliche Diskussion über die Ausrichtung des Projekts. Von dem, was das Projekt ursprünglich ausmachte, ist kaum etwas übrig geblieben. Der Erfolg bleibt aus.

Der Euro-Store ist Apples zweite Platte. Und man darf darauf wetten, dass die deutschen Stars den Braten längst gerochen haben: Die Zukunft der Verlage liegt im Online-Vertrieb, und je offensichtlicher und dringender diese Tatsache ist, desto besser lässt sich um die Gage pokern. Die US-Künstler hätten es genauso gemacht, wenn Apple erst in Europa gestartet wäre. Das ist natürlich nur Spekulation, aber eins ist klar: Wenn ein Künstler und sein Verlag dem Online-Vertrieb zugestimmt hätten, würden seine Songs auch im Store gelistet.

Möglicherweise liegt eines der Probleme darin, den vergleichsweise günstigen Preis von 99 Cents pro Titel durchzusetzen, und gleichzeitig auf einem Verkauf pro Titel (und nicht pro Album) zu bestehen. Man weiß von anderen deutschen Stores, dass es kaum kostendeckend ist – warum auch immer.

Apple hat hierzu eventuell die einzig mögliche Strategie gewählt: Sie eröffnen trotz aller Halbheiten und setzen damit die Messlatte für die Zukunft. Jene Künstler und Verlage, die bei Apples Modell nicht mitmachen wollten, weil sie auf Alben-Downloads und höhere Preise bestehen, werden vielleicht umdenken, wenn der Zug den Bahnhof verlässt.

Man wird sehen, wer dabei den längeren Atem hat. Allerdings wird Apple in Deutschland wegen des erbärmlichen Titelkatalogs nicht die gleiche Schlagkraft haben wie in den USA. Apples Schlagkraft wird identisch sein mit den Umsätzen, welche die Kunden generieren. Apples Trumpfkarte ist die Nachfrage. Allerdings kann die Nachfrage nicht allzu groß sein, wenn der Titelkatalog so mickrig ist. Anders als in den USA ist das Rennen in Deutschland also offen. Apple kann in Deutschland auch scheitern, während sie in den USA von Anfang an ein überzeugendes Angebot und daher auch eine enorme Nachfrage hatten.

Weiter »


Die Kapitel des Beitrags:

• iTunes: Freude und Ernüchterung

• Der deutsche iTunes-Store

• Was geht da vor?

• Der iTunes-Effekt  (hier geht's weiter)

• Fazit