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Es ist soweit: Microsoft steigt ins Musikgeschäft ein


14.08.2003   Interessant ist, dass das Angebot nicht direkt durch Microsoft realisiert wurde, sondern es wurde über einen Dienstleister hinzugekauft. Der Anbieter heisst "OD2" und ist in der Musikszene kein unbekannte Größe. OD2 ist eine Art Zwischenhändler. Er bietet den Plattenfirmen die Möglichkeit, ihr Repertoire dort abzuliefern und gleichzeitig festzulegen, welche Rechte mit jedem einzelnen Song verbunden sind. Die Plattenfirmen legen per Browser fest, welche Texte, Preise oder Bilder dem Kunden angezeigt werden. Die Kunden kaufen die Songs allerdings nicht direkt bei OD2, weil OD2 nur an Händler verkauft. Im Prinzip könnte jeder beliebige Unternehmer einen Online-Shop eröffnen und die Musik über OD2 beziehen. Microsoft ist genau diesen Weg gegangen.

Es haben bereits weitere große Provider angekündigt, in die Fußstapfen von Microsoft treten zu wollen, beispielsweise Tiscali, eines der ganz großen Tiere in Europa.

Das Angebot von OD2 basiert auf Microsofts Rechtemanagement, ist aber prinzipiell offen für jedes andere System. Derzeit benötigt man daher den "Windows Media Player" (ab Version 7), Windows (ab Version 98) und den Explorer (ab Version 5).

Die Zukunftsaussichten von OD2 werden allgemein als sehr gut eingestuft. Es handelt sich um ein gut durchdachtes System, welches für die Plattenfirmen ein wichtiges Problem löst, sofort zur Verfügung steht und alle Werkzeuge bietet, um große Musikarchive zu managen. OD2 kümmert sich sowohl um die Einhaltung der Lizenzen, als auch um Downloads und Zahlungen. Selbst wenn die Plattenfirmen eigene Systeme schaffen sollten, ist es ein Erfolg versprechendes Konzept, um die Musikshops externer Anbieter zu versorgen. Manche Beobachter sagen sogar voraus, dass Musikangebote nun wie Pilze aus dem Boden schiessen werden.

Microsoft hat diesen Dienst in den "Media Player" integriert. Daher ist er vergleichbar mit Apples Lösung. Momentan ist es allerdings ein Service von Microsofts Onlinedienst MSN. Kartellrechtlich braucht Microsoft dabei nichts zu befürchten.

Und wenn doch: Microsoft hat gerade einen ziemlich teuflischen Plan bekannt gegeben. Man will erstens den Explorer nur noch als Bestandteil von Windows anbieten und zweitens den Email-Client "Outlook Express" einstellen. Was ist die Konsequenz daraus? Die Konsequenz ist, dass die normalen Anwender ihre Emails nicht mehr mit "Outlook Express" bearbeiten, sondern mit dem Explorer, und der nutzt dazu die Dienste von Microsofts Onlinediensten. Und genau dort gibt es den neuen Musikladen.

Microsoft packt einfach alles, was auf dem Desktop zu heikel wäre, in die Onlinedienste und integriert diese per Explorer ins Betriebsystem. Damit dürfte Microsoft auch endlich der größte Onlinedienst der Welt werden und an AOL vorbeiziehen.

Email wird also in den Explorer integriert werden. Und was benötigt man, um ein Postfach zu eröffnen? Na? Einen Passport-Account! "Passport" ist eine riesige Datenbank mit Nutzerdaten, genauer gesagt, mit autorisierten, geprüften Nutzerdaten. Es ist eine Art "geprüfter Personalausweis" fürs Internet, vergleichbar mit einer digitalen Signatur oder einer persönlichen Kreditkartennummer. Die Idee ist, dass sich ein Kunde im Internet bei einem Verkäufer stets mit seinem "Passport" ausweist und autorisiert. Dann kann man einkaufen, und der Verkäufer ist sich sicher, dass er nicht von Unbekannten über's Ohr gehauen wird.

Passport ist sehr umstritten und hat eine Serie an Pannen und peinlichen Enthüllungen hinter sich. Gehackte Datenbanken und unseriöse AGBs sind eng mit der Geschichte dieses Dienstes verbunden. Microsoft versuchte den erfolglosen Dienst dann in Windows zu integrieren und hatte sogar Erfolg damit, da die Registrierungen stark anstiegen. Kein Wunder, Windows weist einen ja auch penetrant darauf hin, dass man bitte einen Account anlegen möge, weil sonst möglicherweise einige unvorhergesehene Dinge passieren könnten.

Über Passport kassiert Microsoft bei jeder Transaktion im Internet mit. Nicht nur das: Wenn sich das System durchsetzt, kontrolliert Micfrosoft, welcher Anbieter überhaupt in den Genuss des Systems kommt. Wo die Kunden per Passport Geschäfte abwickeln dürfen, liegt in der Hand von Microsoft.

Wer in Zukunft einen Windows-PC kauft und kein separates Email-Programm besitzt, wird also zwangsläufig Kunde bei MSN und Passport werden und ist auf den Explorer als Email-Client angewiesen.

Da Microsoft voll auf proprietäre Technologien setzt, unterliegt es der Willkür von MS, diese Technologien auf andere Plattformen zu portieren -- oder eben nicht. Ob ein Anwender, der die Nase von Windows endgültig voll hat, überhaupt wechseln können wird, ist fraglich. Möglicherweise hätte er auf anderen Plattformen keine Möglichkeit mehr, seine Online-Identität zu nutzen oder seine legal gekaufte Musik abzuspielen.