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Keynote-Nachlese

Von Stefan Freimark


17.01.2005   Erster Akt: Der Mac mini
Für die Trolle im Heise-Forum ist der neue Mac mini ein gefundenes Fressen: Viel zu langsam im Vergleich zu einem PC, die nächste X-Box ist schneller, für das gleiche Geld gibt es viel mehr PC, und überhaupt, das Teil kommt ja noch nicht mal mit Tastatur.
Vergesst die Spinner, denn der Mac mini wird einschlagen wie eine Bombe! Es ist denke ich nicht all zu weit hergeholt wenn ich die Prognose wage, dass der Mac mini in Stückzahlen zum meistverkauften Hardware-Produkt von Apple werden wird (nach dem iPod). Vom ersten iMac hat Apple wie viele Exemplare verkauft? Sechs Millionen? Der Mac mini wird das noch toppen, jede Wette.

Okay zugegeben: Was Apple da als Prozessor verbaut, ist ganz altes Eisen. Was der Durchschnittstroll nicht versteht: Das ist Absicht.
Der antike Prozessor und die langsame Festplatte (angeblich nur 4.200 U/min) sowie das externe Netzteil sorgen dafür, dass der Kühlaufwand auf ein Minimum reduziert werden kann. Dazu kommt die kompakte Bauweise: Der mini ist der kleinste Mac aller Zeiten: Fünf davon übereinander haben die Höhe eines Cube, und in das Volumen eines Cube passen sogar sieben Mac mini rein.
Apple hat den von vielen seit Jahren geforderten Billig-Cube vorgestellt. Der Cube scheiterte damals nicht wegen seiner kompakten Bauweise oder wegen seiner schlechten Erweiterbarkeit, sondern schlicht, weil er viel zu teuer war.

Wollte zum Beispiel eine Agentur oder eine andere mittelständische Firma die Arbeitsplätze mit Macs ausstatten, stellte sich eine Frage: Welchen Mac stelle ich dem Sekretariat und der Buchhaltung auf den Tisch? Einen eMac, den wahrscheinlich schlechtestem Mac seit langem, mit seinem laute Lüfter und der riesigen, unergonomischen Röhre?
Einen iMac? Und nach drei Jahren das mitgekaufte »Zwangs-Display« mit entsorgen?
Einen Powermac, mit dem man zwar die freie Auswahl bei den Displays hat, aber einen für diese Aufgaben überdimensionierten und teuren Rechner kaufen muss?
Mit dem Mac mini hat Apple meiner Meinung nach die Chance, die Büros dieser Welt zu pflastern: Er eignet sich nicht nur als günstiger Zweit- oder Dritt-Mac, sondern ist auch überall dort willkommen, wo bereits Peripherie-Geräte vorhanden sind. Wegen seiner geringen Größe passt er überall hin, und einem leise säuselnden Lüfter fällt er auch nicht unangenehm auf. Für Leute die unterwegs sind, ist er vielleicht eine interessante Alternative zu einem Notebook: Im Preis ist der mini günstiger als ein iBook, und warum nicht die »Firewire-Platte mit Prozessor« zur Präsentation mitnehmen?

Die Performance reicht für die üblichen Anwendungen völlig aus: eBay, E-Mail, Briefe, Buchhaltung... Wer mit seinem Mac keine Großwand-Plakate entwirft oder ständig 30 Programme gleichzeitig am laufen hat, dem wird der G4 wahrscheinlich genügen. Niemand wird ernsthaft verlangen, dass ein Rechner, der kaum größer ist als fünf übereinander gelegte CD-Hüllen, die gleiche Performance bringt wie ein aktueller Powermac.
Allerdings ist die RAM-Ausstattung von 256 MB wahrlich etwas schmalbrüstig: Ein 512er Riegel sollte Linderung verschaffen, und der Preis von 80 Euro im Apple-Store ist – sehr ungewöhnlich – durchaus konkurrenzfähig (ein GB ist allerdings überteuert).
Ein bisschen schade ist es, dass die Grafikkarte zwar für Quartz-Extreme taugt, nicht aber für CoreImage. Die nächste Revision wird des Rechners wird da unzweifelhaft besser ausgestattet sein (und ich hoffe, dass das Gehäuse mit Schrauben statt mit Laschen wie beim iPod zusammengehalten wird, so dass man das RAM leicht selbst austauschen kann).

Der Zeitpunkt, zu dem der Neue vorgestellt wird, hätte von Apple nicht besser gewählt werden können: Longhorn wird frühestens Ende 2006 erscheinen, und wenn noch mehr Features zusammengestrichen werden, wird es eher ein XP Service-Pack 3. Jeden Monat fallen neue Horden von Viren und Würmern über die Windows-Welt her, während der Mac verschont bleibt. Der iPod beherrscht in den USA 65% des gesamten Marktes für digitale Musikplayer, der iTMS hat einen Marktanteil von 70% – das positive Image des iPod scheint auch zunehmend auf die restliche Marke abzufärben (»iPod Halo Effect«; 1, 2).

Fazit? Für den Nachbarn und Arbeitskollegen: Mit dem Mac mini gibt es jetzt keine Entschuldigung mehr, ein Mac sei zu teuer. Wer jetzt noch einen Aldi-PC kauft, ist selber schuld. Das Risiko ist gering: Falls man doch nicht auf den Trip kommt, hat man sich nicht gleich einen Powermac für 2.000 Euro ans Bein gebunden (wobei ich niemanden kenne, der vom Mac zum PC geswitcht ist).
Ein paar Nörgler gibt's immer, die einem vorrechnen, dass ein Dell für das gleiche Geld dreimal schneller ist (und dabei die Versandpauschale und vergleichbare Software »vergessen«). Sollen die doch ihren Kopf in das Triebwerk stecken und sich die Haare vom Kopf fönen lassen.
Fazit für Analysten: Der Mac mini wird Apple aus den Händen gerissen werden: Die Nachfrage nach einem kleinen, leisen Computer ist da, der Preis ist fair, das Image von Apple ist gut wie nie, die Konkurrenz hat wenig Vergleichbares zu bieten.

P.S.: Ich habe dauernd einen anderen Namen im Kopf: »Mini-Mac«! Kleiner Insider...


Der iPod shuffle
Wenn schon der Mac mini weggehen wird wie geschnitten Brot, dann fallen mir keine Worte mehr dafür ein, was mit dem iPod shuffle passieren wird. Bei den normalen iPods gab es ja schon mal Engpässe, weil Apple die Dinger nicht so schnell herstellen konnte, wie sie sie verkauft haben.
Der iPod shuffle ist günstiger als die Konkurrenz-Produkte (die doppelte Kapazität zum gleichen Preis) und er hat eine starke Marke im Hintergrund (nämlich »iPod« und weiße Ohrhörer). Bonus für die Nerds unter uns: Man kann ihn auch als USB-Stick benutzen – für einen Aufpreis von circa 25 bis 30% im Vergleich zu einem normalen Stick. Potential für den Zweit-iPod.

Um ehrlich zu sein, habe ich nicht damit gerechnet, dass Apple einen Flash-Player auf den Markt bringt. Sicher, es gab die Gerüchte über Großeinkäufe von Flash-Speicher durch Apple, aber das hätte auch für ein anderes Produkt sein können. Außerdem hat John Gruber sehr schlüssig dargelegt, weswegen ein iPod ohne Display unwahrscheinlich ist.

Der (normale) iPod bietet eine so große Kapazität, dass die Hörer anfingen, ihn als persönliche Radiostation zu benutzen: Per Zufall durch den ganzen Musikbestand durchhören. Shuffle ist nichts Neues, aber Apple hat diesen Trend erstens beobachtet, und zweitens erkannt, dass das die Lösung für das Problem »kein (brauchbares) Display« ist, das alle diese Kaugummi-großen Player haben. Also lieber kein Display machen, bevor sie ein schlechtes dranbauen, ein Schalter mit den Einstellungen AUS, REPEAT und SHUFFLE, und fertig ist die Laube. Weiß anmalen und »iPod« draufschreiben, schon gibt's kein Halten mehr.

Ich bin sehr gespannt auf nächsten Januar, wenn Steve Jobs den Marktanteil der iPod-Familie vorstellt, und sich dann vermutlich ein Windows-eskes Bild von »90 plus x« abzeichnet. Das macht mir fast ein bisschen Angst.

Abschließend noch ein Lesetipp: »Small, Cheap, and Without a Display« von gestern auf Daring Fireball. Wie immer ein exzellenter Artikel von John Gruber. Unsere Aussagen decken sich im Wesentlichen (Zufall, wirklich). John hat's aber ein bisschen fundierter und objektiver beschrieben.   :-)

Stefan Freimark, my-two-cents.de für Mac-TV.de
17.01.2005