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Das Design


»Welches Design?«, mag sich mancher Leser fragen. »Ich sehe kein Design. Nur ein Viereck.«

In der Tat. Es ist schwer, den iMac ins Herz zu fassen, zu schlicht und glatt kommt er daher. Man sollte meinen, das Design sei mit Corel Draw innerhalb von 20 Sekunden entstanden. Aber das ist natürlich Unsinn, und so stellt sich die Frage, was Apple eigentlich unter »gutem Design« versteht.

Apples Design hat sich in der letzten Zeit sehr stark gewandelt. Die G4-PowerMacs spielten noch mit Formen, Licht und dem Glanz der Oberflächen. Die ersten iMacs zauberten je nach Lichteinfall eine andere Farbe auf die Außenhaut, und die glänzenden Rundungen sahen spektakulär aus. »Spektakulär« ist eigentlich der beste Begriff für das Apple-Design der vergangenen Baureihen: Auffällig, ungewöhnlich, gewagt, rebellisch, unkonventionell, unbequem – und doch von einer Grazie und Anmut, die fraglos einzigartig war.

Erstaunlicherweise predigte Chefdesigner Jonathan Ive schon damals einen Minimalismus, der aber erst später richtig sichtbar wurde, nämlich mit der Einführung der weißen Consumer-Geräte. Was meinte Ive also zu Zeiten des bulligen iMacs mit »Minimalismus«? Für ihn bedeutet das eine Reduzierung auf die Funktion. Der erste iMac war nichts außer Funktion: Bildschirm, Laufwerk, Lautsprecher – so präsentierte sich der iMac dem Anwender. Was nichts mit dem Anwender zu tun hatte, war nicht mehr sichtbar. Ganz anders die PCs. Die verfügten über Anwender-bezogene Teile (Monitor, Tastatur) und über weitere Elemente, die mit dem Anwender gar nichts zu tun hatten, nämlich die Recheneinheit selbst. Sie stand unter dem Tisch und war das notwendige Übel, welches niemand in Frage stelle (außer Apple).

Steve Jobs pflegt immer zu sagen: „Gutes Design ist nicht, wie es aussieht, sondern wie es funktioniert“. Das klingt wie lupenreine Klugscheißerei, ist aber ein sehr wichtiger Satz, über den man ruhig etwas länger nachdenken sollte.

Der iMac 2 (Lampendesign) wurde nach diesem Prinzip entworfen. Er sieht aus wie eine Skulptur, bei der ein Bildhauer ohne Rücksicht auf funktionale Zwänge den Computer der Zukunft entwarf. In Wahrheit ist dieser iMac jedoch Funktion pur. Die runde Basis ist ein Kühlkörper nach dem Kamin-Prinzip und sie stellt Laufwerk und Anschlüsse zur Verfügung. Werden beide gerade nicht benötigt, verschwinden sie diskret. Vom eigentlichen »Computer« sah man kaum noch etwas. Der spektakuläre Monitorarm ist auch kein ausgefallenes Design-Gimmick, sondern wiederum nur der reinen Funktion verpflichtet, den Monitor frei nach Wunsch des Anwenders zu bewegen. Seine Dicke bekam er durch die Beobachtung, dass die Anwender das Gerät dort hochheben, um es herumzutragen, folglich musste der Arm robust und griffig sein. Und der Monitor bekam die schicke Plexiglas-Umrahmung, damit man ihn dort anfassen und bewegen kann.

Zum Vergleich: Andere Hersteller haben ganz andere Design-Philosophien. Dort ist Design immer etwas, was man anstückelt, einfach so, sozusagen als Blendwerk. Man bekommt eine viereckige Box aus Taiwan, und nun stückelt man ein gewelltes Plastik dran oder eine gewölbte Vorderfront und klatscht noch ein Logo drauf. Warum ist das Plastik gewellt und die Vorderfront gewölbt? Niemand weiß das.

Apples Designkunst besteht also nicht aus dem Anstückeln von Zierwerk. Sondern es ist das Weglassen von allem, was nicht anwenderbezogen ist, bis sich dem Anwender die reine Funktion offenbart, sozusagen pur. Diese pure, reine Funktion besitzt nach Apples Philosophie eine eigene Schönheit. Man versucht nicht, die reine Funktion dann wieder einzupacken. Sondern die Funktion soll quasi »aus sich selbst heraus« schön sein.

Dell würde vielleicht einen hässlichen Schwenkarm bauen und ihn dann in ein gewelltes Plastik hüllen, damit niemand die Schande sieht. Apple würde den Schwenkarm so konstruieren, dass der Arm selbst schön ist und keiner Hülle bedarf.

Etwas plumper gesagt: Eine schöne Frau muss man nicht anmalen, die ist von selbst schön.

Vergleichbare Ansätze gibt es bei vielen anderen Produkten, sei es Schmuck, Autos oder gar Architektur. Man geht dazu über, wertvolle Materialien zu benutzen, und diese für sich selbst sprechen zu lassen. Eine Obstschale aus Platin wird mit Sicherheit ganz schlicht sein und gerade deswegen wertvoll wirken; eine aus Blech wird vermutlich einen monströsen Fuß oder gar Schmuckwerk aus buntem Glas aufweisen, damit man vom billigen Blech etwas ablenken kann.

Das ist also der Blickwinkel, aus dem Apple selbst den neuen iMac sieht. Er hat kein Design? Genau. Er hat nichts mehr, was man kaschieren oder eintüten müsste, damit es den Anwender nicht gar zu sehr anwidert, sobald er sich davor setzt. Beim neuen iMac ist tatsächlich nur noch die Funktion übrig geblieben und es gab keinen Bedarf, dieses Pure und Reine mit gewellten Seitenteilen einzurahmen wie ein billiges Gemälde aus dem Kaufhaus.

Der neue iMac wirkt nicht durch die Form, sondern er wirkt durch die Reinheit und das Material. Auf den Fotos auf Apples Website mutet er leider etwas ramschig an, weil man darauf nicht erkennen kann, wie wertvoll das Material aussieht. Wegen der einfachen Form hat Apple dem iMac ein sehr schönes »Finish« gegönnt, einen dezenten Glanz der Oberflächen, wunderschön gearbeitete Kanten und Rundungen, und eine anmutige Leichtigkeit, die einem den Atem verschlägt. Allein der Schlitz für das optische Laufwerk ist zum Niederknien. Es ist zwar nur ein Schlitz, ein feiner Strich, scheinbar bedeutungslos, aber gerade das ist so genial daran. Keine Knöpfe, Schubladen, Beschriftungen – sondern die reine Magie der Silberscheibe, pur, edel und ein wenig geheimnisvoll.

Dell hätte keine Sekunde gezögert, einen bunten Aufkleber anzubringen, der mich darüber informiert, dass es sich hierbei um ein „Optical Industry Standard Disk Read Write Device with Enhanced Burn Proof Technology“ handelt. Bah!

Wenn man das Laufwerk gerade nicht benötigt, bemerkt man nicht, dass es vorhanden ist. Und wenn man es benutzen will, bietet es sich diskret an, die CD einzuziehen. Es schleudert mir keine Schublade entgegen mit allerlei Furchen, Vertiefungen und Markierungen, sondern es holt sich einfach die CD aus meinen Händen und zieht sich damit zurück. Auf dem Monitor werde ich eventuell gefragt, was ich zu tun gedenke, oder die passende Applikation startet automatisch. Auch das hat bei einem technischen Gerät etwas mit dem Design zu tun. Wie sagte Steve Jobs? „Design is not how it looks. Design is how it works.“

Apple ist hier auf dem Weg in die Zukunft, kein Zweifel. Wir Freaks interessieren uns natürlich dafür, wie so eine Maschine funktioniert, aber die Mehrzahl der Anwender möchte genau davon möglichst nichts wissen, weil es sie nervt, langweilt und aufhält. Der Computer selbst muss verschwinden. Kein Desktop-Computer ist diesem Ziel jemals so nahe gekommen wie der aktuelle iMac. Natürlich ist OS X meilenweit davon entfernt, dieses (optische) Versprechen tatsächlich auch einzulösen, aber Apple ist wenigstens auf dem Weg und hat erkannt, wo die Zukunft liegt.

Hinter diesem Design steckt eine enorme technologische Anstrengung. Man braucht sich nur ein paar konkurrierende Produkte aus der PC-Welt anzuschauen (zu sehen in unserer Sondersendung zum neuen iMac G5), um zu erahnen, dass Apple das Unmögliche möglich gemacht hat. Einen G5-Computer lässt man nicht einfach so verschwinden. Tatsächlich ist es haarsträubend, wie lässig Apple in dieser Disziplin höchst potente Mitbewerber wie Sony oder HP versenkt.

Es gibt ein Zitat von Steve Jobs, welches schon ein paar Jahre alt ist und daher aus einem anderen Zusammenhang stammt, aber weil es so gut passt, sei es hier zitiert: „We are so far ahead of... of... of anybody – it’s not funny.“

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Die Kapitel des Beitrags:

• Wo steht Apple nach der Vorstellung des neuen iMacs?

• Das Design

• Die Leistung  (hier geht's weiter)

• Der Preis

• Das Konzept

• Fazit