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Alles drahtlos


24.01.2022   Ist die Zukunft des iPhones komplett drahtlos? Falls ja, dann ist die Zukunft des Computers generell drahtlos, allenfalls abgesehen von Spezialanwendungen. Denn das iPhone ist so allgegenwärtig und so verzahnt mit dem Rest der digitalen Welt, dass Apple mit diesem Hebel einen universalen Standard schaffen kann.



Oder liegt die Zukunft bei USB-C und seinen Nachfolgern? In der letzten Live-Sendung haben wir darüber beraten, ob das iPhone seinen Lightning-Anschluss zugunsten von USB-C aufgeben sollte. USB-C erfüllt viele Anforderungen: Es skaliert von winzigen Datenmengen bis hin zu den enormen Datenraten von 10 GBit/s. Mit Thunderbolt wären es sogar 40 GBit/s. USB ist universell akzeptiert: iPhones, iPads, Macs, Android-Smartphones und Windows-PCs könnten problemlos Daten austauschen. Sofern man gerade ein Kabel parat hat.



Hat man aber nicht. Ist also die Idee eines zukünftigen universellen Kabelstandards nur Wunschdenken? Die Anzahl der Smartphones übertrifft die Anzahl der PCs und Laptops mittlerweile um das Zehnfache. In vielen Ländern ist das Smartphone wichtiger als der klassische PC. Die Idee, dass man »richtige« Arbeit am Schreibtisch erledige, während das Smartphone nur ein sekundäres Gerät für unterwegs sei, ist vermutlich falsch. Noch mehr gilt das in fünf oder zehn Jahren. Die Technik von morgen wird diktiert durch das Smartphone. Alle anderen Geräte werden folgen.



Also doch drahtlos? Bluetooth und WLAN sind heute bereits so universell verfügbar wie USB. Aber es sind alte (und im Fall von Bluetooth oft unzuverlässige und deswegen verhasste) Technologien. Die drahtlose Welt hatte ihre Chance. Tatsache ist: Wenn von der neuen drahtlosen Zukunft die Rede ist, sagt niemand: »Nehmt doch Bluetooth«.

Wir ärgern uns heute über das Wirrwarr der Kabelverbindungen und nehmen automatisch an, das Wirrwarr sei zu Ende, sobald die Kabel verschwänden. Aber das ist ein Trugschluss. Das Durcheinander bei drahtlosen Technologien ist noch viel größer. Obwohl es dabei stets um die gleichen Zutaten geht, nämlich Bluetooth und WLAN, sind alle Plattformen zueinander komplett inkompatibel. Das ist der Grund, warum die Anwender ihre Dateien per WhatsApp versenden.



Dass wir im Jahr 2022 keinen universellen drahtlosen Standard zum Austausch jeglicher Daten haben, ist ein Witz. Man kann über USB die Nase rümpfen, aber einmal eingestöpselt funktioniert es.

Die drahtlosen Technologien sind ihrer Zeit nicht voraus, sondern hinterher. Sie sind nicht schnell, nicht elegant und nicht simpel. Sondern die Leute reißen sich die Haare aus vor Verzweiflung, sobald sie darauf angewiesen sind. Am Ende sagen sie: »Das nächste Mal nehme ich ein Kabel mit!«.

Wir Apple-Anwender sitzen dabei auf einer Insel der Glückseligkeit. Auf keiner anderen Plattform funktionieren Bluetooth und WLAN derart gut — trotz aller kleinen Problemchen, die wir alle kennen. Der Aufwand, den Apple hierfür betreibt, ist enorm. Gerade bei Bluetooth. Aber selbst Apple hat fast zehn Jahre gebraucht, bis AirDrop halbwegs zuverlässig zwischen iPhone und Mac klappte.



Zahlreiche Clickbait-Webseiten und YouTube-Kanäle scheinen zu wissen, dass das iPhone »demnächst« völlig drahtlos arbeiten würde. Aber von AirDrop und USB-C lernen wir, dass es acht bis zehn Jahre dauert, bis diese Technologien gereift sind und langsam in größeren Stückzahlen in den Markt gelangen. Mit welchen Geräten wollte sich ein drahtloses iPhone 15 also verbinden? Selbst wenn die ganze Industrie auf diesen Zug aufspränge und es ein offener Standard wäre, würde es eine Dekade dauern, bis es so universell einsetzbar wäre wie ein Kabel.



Dieses Dilemma, bei dem sich nichts bewegt und alles auf zu viele Schultern verteilt ist, erinnert fatal an Prozessoren und Grafikkarten. Man hatte bis vor kurzem den Eindruck, als würden Intel und AMD am äußersten Rand des Möglichen arbeiten. Doch dann hat Apple es in die eigene Hände genommen und alles weggefegt. Plötzlich sehen wir eine Performance und Effizienz, die schlicht unmöglich schien.

Vielleicht brauchen wir bei den drahtlosen Technologien einen ähnlichen Aufbruch. Eine unerschrockene Truppe mit viel Talent, Durchsetzungskraft und dem Scheckheft von Tim Cook. Eine Truppe mit schrägen Nerds, in einem geheimen Gebäude abseits des Apple-Campus.

Und mit einer Piratenflagge auf dem Dach. Diskussion im Forum