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Aktschnfuim


25.01.2022   »Woasst, wannst nix bessers host, donn drähst holt an Aktschnfuim.« Diese schlichte Weisheit, die sich durch österreichische Einwanderer in Hollywood etabliert hat, gilt bis heute. Action geht immer.

Und wenn’s nicht mehr geht, dann gilt: »Und wann dös koana mehr sehn wui, donn mochst holt a family comedy«. Was die Erklärung dafür ist, dass muskelbepackte Action-Stars über 50 Jahren ihr Publikum plötzlich als Kindergärtner langweilen, oder noch besser: als unfreiwilliger Vater von zwei blonden Zwillingen. Denn blonde Zwillinge sind immer wahnsinnig witzig.



Man kann aber noch tiefer sinken. »Und wennst koa family comedy kriagst, donn göhst holt zu Apple.« Denn Apple nimmt alles. Und bezahlt gut. Das ist mittlerweile ungewöhnlich. Hollywood leistet sich nur noch wenige teure Blockbuster-Movies, die jedoch sichere Hits werden müssen. Am besten klappt das mit etablierten Marken, beispielsweise James Bond, Star Wars und dergleichen. Der ganze Rest wird so billig produziert wie nur irgend möglich. Durch moderne Tricktechnik sieht das Ergebnis trotzdem passabel aus. Das meiste entsteht ohnehin am Computer.



Das billigste aller Formate sind Serien. Netflix musste neue Wege finden, um die hohen Preise der etablierten Studios zu vermeiden. Deswegen werden die stets gleichen Standardformate in immer neue Kleider gesteckt.

• Ein schreckliches Bazillus verwandelt alle Menschen in Zombies, außer Sofia und Walter. Sie fliehen aus der Stadt, doch die Monster verfolgen sie.

• Zwei Kleinstadt-Teenager entdecken ihre Liebe zueinander, doch ihre Eltern sind dagegen. Sie fliehen in die Großstadt, aber ihre Eltern sind hinter ihnen her.

• Ein junges Computergenie baut einen allwissenden Roboter. Doch das FBI sieht darin eine Gefahr. Denn auch die Russen wollen den Roboter in ihre Hände bekommen. Der Teenager muss fliehen und wird von beiden Mächten verfolgt.

• Der kleine Hase Helmut möchte Lokomotivführer werden. Aber der schwarze Rabe Ralf mag das nicht. Hase Helmut flieht mit einer Lokomotive. Kann er dem schwarzen Rabe Ralf entkommen?


Apple hingegen besteht auf kreative Formate. Tatsächlich findet man bei TV+ mittlerweile einige neue Ideen oder zumindest geschickte Variationen. Das ist gut.

Aber Apple hat einen anderen Trick gefunden, um die Kosten gering zu halten: Man zieht alles in die Länge.



Praktisch jede Szene dauert doppelt so lange, wie es dramaturgisch nötig wäre. Eine Science-Fiction-Serie, die das Eintreffen von Aliens zum Inhalt hat, foltert ihre gelangweilten Zuschauer damit, dass selbst nach der fünften Stunde kein Alien zu sehen ist. Man schaut im Grunde nur zu, weil man es nicht für möglich hält.

Lange Szenen sind eine Herausforderung für Drehbuchautoren. Wie hält man die Spannung aufrecht? Wie sorgt man für überraschende Wendungen? Wie erzeugt man Tempo allein durch Dialog?

Überhaupt nicht. Man lässt die Schauspieler nämlich nicht reden, sondern stammeln. Das dauert noch länger. In winzigen Scheibchen ziehen sie sich gegenseitig alles aus der Nase. Beispielsweise könnte ein Schauspieler sagen: „Dieser rote Alien-Schleim erinnert mich fatal an den fiesen Himbeeren-Pudding meiner Großtante“. In den Drehbüchern von TV+ sähe es folgendermaßen aus:

Mann: »Oh mein Gott, die Aliens! Wo finde ich jetzt ein Gewehr?«

Frau: »Rot…«
Mann: »Äh, was?«

Frau: »Es ist… rot…«
Mann: »Was soll das heißen?«

Frau: »Diese rote Farbe…«
Mann: »Was ist damit?«

Frau: »Es erinnert mich…«
Mann: »An was?«

Frau: »Damals.«
Mann: »Was denn damals?«

Frau: »Meine Großtante.«
Mann: »Ja, aber ich brauche jetzt ein Gewehr.«

Frau: »Sie kochte diesen Pudding.«
Mann: »Entschuldigung, aber…«

Frau: »Es waren Himbeeren…«
Mann: »Im Pudding?«

Frau: »Nicht so schnell.«
Mann: »Ja, wir müssen noch drei Minuten.«

Frau: »Aber mir fällt nichts mehr ein.«


TV+ ist mit dem Anspruch angetreten, den Kreativen volle Freiheit zu geben. Das merkt man. Fast jede Szene wirkt, als wolle jemand demonstrieren, wie großartig er sei. Der Autor dehnt die Dialoge. Der Kameramann verweilt besonders lange bei einem eindrucksvollen Bild. Der Schauspieler bekommt seine Chance auf großes Pathos. (Dasselbe gilt natürlich auch für ihre weiblichen Kollegen.) Eine feste Regel ist dabei: Alle müssen heulen. Bevor nicht jeder ein bisschen geheult hat, darf niemand nach Hause gehen. Die Kamera wackelt dann ein bisschen, damit es noch authentischer wirkt.

Es gibt eine Szene in »Infiltration« (es geht um die Invasion von Aliens auf der Erde), in der ein Soldat bei seiner Freundin anruft, doch die Freundin ist nicht da und es meldet sich der Anrufbeantworter. Die Szene dauert unglaubliche 7 Minuten. (Folge 8, von 14:30 bis 21:30.) Selbstverständlich gibt es jede Menge Nahaufnahmen und es wird auch geheult.

Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, wenn in langen Dialogen einfach nichts gesagt wird. Stellen Sie sich vor, Sie wären auf der Flucht vor tödlichen Aliens und treffen bei Ihrer hastigen Flucht auf einen Mann. Folgender Dialog findet sich in Episode 8:



Mann: »Sie sind ne gute Mutter.«
Frau: »Ich weiß nicht. Ich versuch’s.«

Mann: »Ich wusste nicht, dass Sie Familie haben.«
Frau: »Ich hab’… sie.«

Mann: »Naja. Ich hatte auch Familie.«
Frau: »Oh. Tut mir leid, ich…«

Mann: »Nein, ähm... nein, nein, nicht wegen dem hier. Ähm... Es ist ein paar Jahre her… ist nichts passiert, nur… die höchste Rate bei Ärzten & Co.«
Frau: »Die höchste Rate?«

Mann: »Scheidung.«
Frau: »Hm.«

Mann: »Wir haben funktioniert, als wir anfingen. Dann… änderten sich die Dinge. Vielleicht auch bloß ich mich.«
Frau: »Ich weiß, was Sie meinen.«

Mann: »Ich freue mich, dass Sie hergekommen sind. Ich meine, wir brauchen Sie hier. Doktor, Sie sind klug. Sie sind versiert, Sie haben Instinkt. Wir improvisieren alle, mehr können wir nicht tun.
Frau: »Hm.«

Mann: »Hey. Kann ich Ihnen etwas zeigen?«


Schnitt. Ende der Szene. Es wird nichts gezeigt. Aliens überfallen die Welt, aber man sieht sie nicht, doch stattdessen erzählt jemand von seiner früheren Ehe. Es handelt sich ohne Zweifel um eine besonders preiswerte Produktion. (Zu sehen in Folge 8 ab 4:30)



Alles läuft ab wie aus einem Lehrbuch der Filmhochschule. Männer beweisen ihre Männlichkeit durch Aggression und Alkohol. Frauen werden verlassen, meistern aber tapfer ihr Leben. Russen führen was im Schilde. Amerikaner geben Befehle. TV-Produzenten sind Schurken. Lesben rauchen. Teenager fühlen sich sehr ungerecht behandelt.

Es gibt keine Sekunde, die auch nur den winzigsten Fehler enthält. Alles ist perfekt.

Und sterbenslangweilig. Diskussion im Forum