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Intel strikes back


27.01.2022   Intels neuer i9-Prozessor ist schneller als der M1 Max. Damit erobert Intel die Performance-Krone zurück. Wir Apple-Anwender sollten sportlich fair sein und es anerkennen. Wer schneller über die Ziellinie läuft, ist der Sieger.



Lassen Sie sich nicht von hastig geschriebenen Artikel der Mac-Webseiten beirren, die lehrreich betonen, der i9-Chip sei ein Monstrum. Denn der monströseste Chip, der jemals in einem Laptop eingebaut wurde, ist der M1 Max.

Der M1 gilt als schlank. Tatsächlich ist es aber der gigantischste Chip, der jemals in großen Stückzahlen hergestellt wurde.

Ist das schlimm? Ein deutscher Radprofi sagte vor einigen Jahren über die Tendenz der Fahrer, sich gegenseitig beim Doping zu überbieten: »Mit Milch kann man die Tour de France jedenfalls nicht gewinnen«. Und so ist das auch mit Prozessoren der obersten Liga. Auf Platz Eins kann man nur mit monströsen Lösungen landen. Apple hat eine bestimmte Version davon gefunden, Intel eine andere.



Was ist nun besser? Apples M1 hat den Vorteil, dass er seine Leistung sehr stromsparend entfaltet. Intels i9 hat den Vorteil, dass Windows und jegliche x86-Software läuft, selbst wenn sie uralt sein sollte. Was wiegt nun schwerer?

Der Umstieg der gesamten Apple-Plattform auf die neue Architektur ist das Ergebnis einer Anstrengung, die Apple seit über einem Jahrzehnt vorbereitet hat. Der M1 ist ein Triumph — aber ebenso ist es macOS Monterey. Es macht einen haarsträubend komplexen Umbruch unsichtbar. Auch die Bereitschaft der Drittentwickler, einen erneuten Umstieg zu unterstützen, sollte nicht unerwähnt bleiben.

Nichts davon existiert in der Windows-Welt. Microsoft hat einige Versuche in Richtung ARM unternommen, die man selbst mit Wohlwollen nur als kläglich bezeichnen kann. Hier stellt sich die Frage nach einer neuen Prozessor-Architektur anders. Genauer gesagt: überhaupt nicht.



Angesichts dieser Tatsache ist der höhere Stromverbrauch des i9 eine nebensächliche Marginalie. Viel schwerer wiegt, dass Intel es verhindern konnte, dass Apple einfach so davonzieht. Die Windows-Welt sitzt weiter in der ersten Reihe.

Den tapferen Leser wird das womöglich ärgern. Wir wollen Apple gewinnen sehen; außerdem soll sich der Umstieg für uns lohnen. Vor allem aber haben wir eine kleine Stimme im Ohr, die uns leise zuflüstert: »Irgendwas stimmt doch hier nicht?«

Tatsächlich. Da stimmt was nicht. Denn solche CPU-Benchmarks sind nur ein Teil der Rechnung — selbst dann, wenn man die Thermik außen vor lässt. Die Zeit der CPU-Benchmarks neigt sich zu Ende. Was bringt es noch, die Taktung von 4 GHz auf 4,1 GHz zu erhöhen? In Zukunft fallen spezialisierte Schaltkreise über unsere Daten her. Wer zum ersten Mal Zeuge war, wie ein aktuelles MacBook Pro ein gigabyte-schweres Video im sperrigen ProRes-Format zerfetzt hat, wird sich vermutlich an diesen Moment erinnern. Denn das ist eine Performance, die völlig außer Reichweite klassischer CPUs liegt.



Hier stimmt erneut etwas nicht. Denn was bringen diese ProRes-Schaltkreise einem Nutzer, der ProRes nicht verwendet? Man sieht: Es ist nicht mehr so simpel wie früher, exakt zu beurteilen, welcher Chip am schnellsten ist.

Es bleibt verblüffend, wie treffend die alte Einsicht von Steve Jobs immer noch ist, der Erfolg läge im engen Zusammenspiel von Betriebssystem, Hardware und Applikationen. Das erfordert Entscheidungen: Nützt es unseren Kunden wirklich, wenn die Taktung von 4 auf 4,1 GHz steigt? Oder kümmert man sich stattdessen lieber um eine konkrete Anwendung, auch wenn diese nicht jeder braucht?

Anders gefragt: Will man einen Benchmark gewinnen? Oder will man seinen Kunden eine ganz bestimmte Anwendung erleichtern? Beides ist wichtig, aber es kommt auf eine kluge Balance an.

Die M1-Prozessoren halten diese Balance. Sie sind enorm schnell, bleiben aber stromsparend und dadurch für den Anwender angenehm. Sie begrenzen die Anzahl ihrer Kerne, um dadurch Platz zu schaffen für spezielle Schaltkreise. Ihre Entwicklung startet bei der Anwendung und arbeitet sich rückwärts zu den Leiterbahnen. Dafür gibt es keinen Benchmark, aber es ist nützlich im echten Leben.

Für das echte Leben gibt es eben keinen Benchmark. Diskussion im Forum