20.04.2022
Nichts zeigt die Eigenwilligkeit der Mac-Plattform besser als ein Blick auf seine Displays. Stets existierte eine klare Grenzlinie zwischen Apples Angeboten und dem Rest der Industrie. Es ähnelt zweier Flüssigkeiten, die sich nicht vermischen lassen.
Das hatte nicht nur technische Gründe. In den 80ern wurde der Mac zum bevorzugten Werkzeug für Grafiker und Layouter; dadurch ergab sich eine Drift hin zu besonders großen und fein aufgelösten Monitoren. Allein daran konnte man den Mac erkennen.
In den 90ern wurde der Mac unsichtbar. Das lag nicht nur am Erfolg der Windows-PCs, sondern auch daran, dass Apples Management in Panik geriet und dem fatalen Rat folgte, möglichst ähnliche Produkte anzubieten, die zwar schon »ein bisschen anders« waren, aber bitteschön nicht zu sehr. Kaum zu glauben, aber das Bild unten zeigt einen Macintosh (und, technisch gesehen, sogar einen sehr guten).
Als Steve Jobs 1997 zu Apple zurückkehrte, tat er genau das Gegenteil. Es entstanden absichtlich eigenwillige Designs. Damit sollte erstens sofort sichtbar werden, wenn jemand einen Mac benutzte. Zweitens bestand Apple trotzig darauf, dass die beige Windows-Welt nicht das letzte Wort war.
Displays spielten dabei eine große Rolle, denn sie waren natürlich auf dem Schreibtisch unübersehbar. Die nächsten zwei Bilder zeigen Stolz, Eigenwilligkeit, aber auch Mut. Die Displays waren technisch hervorragend.
Unten sieht man ein 17-Zoll-Display, meines Wissens das erste mit dem Namen »Apple Studio Display«. Die Bildröhre war vorne komplett flach.
Kurz darauf begann das Zeitalter der LCD-Displays. Obwohl Apples Marktanteil so winzig war, wurden sie sofort zum größten Abnehmer digitaler LCD-Displays. Das lag daran, dass PCs ein analoges Signal an das digitale Display schickten. Dadurch geriet das Bild oft unscharf, obwohl der ganze Witz der LCD-Displays darin bestand, superscharf zu sein. Apple bot hingegen eine digitale Grafik von Anfang bis Ende und stellte sich damit gegen die restliche Industrie. Die Bildqualität beispielsweise des iMac G4, zusammen mit dem darauf optimierten OS X und dem neuen Aqua-Design war absolut atemberaubend.
Als die LCD-Revolution rollte, entstand ein neues Kriterium für deren Qualität. Nämlich, wie viele Pixelfehler dem Kunden zuzumuten wären. Einzelne Pixel konnten komplett schwarz sein, oder in einer der Grundfarben strahlen, beispielsweise rot. Die Industrie setzte durch, dass ein Display mit 18 solcher Pixel als »fehlerlos« zu gelten habe, und es gab ein Gezänk darum, ob es nicht auch 25 sein dürften, wenn die kaputten Pixel sich eher am Rand befänden. Die AGB’s von Dell und Konsorten enthielten umfangreiche Bestimmungen über Anzahl, Farbe und Ort dieser Fehlpixel. Wer also ein feines LCD-Display aus dem Laden trug und dann einen Haufen kaputter Pixel bekam, der hatte laut Paragraph 1243b/34-C-W kein Recht, sich zu beschweren.
Apple hat das nie akzeptiert, musste dafür aber höhere Preise in Kauf nehmen. Steve Jobs sagte auf einer Keynote über die Displays der Konkurrenz (es war wohl Dell gemeint):
»They sell the displays that we reject. It’s true!«
—Steve Jobs
OS X spielte damals eine große Rolle. Die Röhren-Displays sorgten durch ihre leichte Unschärfe automatisch für ein glattes Schriftbild. Bei LCD-Panels musste das Betriebssystem diese Glättung übernehmen. Das Schrift-Rendering auf dem Mac ist seitdem legendär.
Die technische Führung des Macs war in der Ära von Steve Jobs stets sichtbar durch seine Displays. Es zeigte aber noch etwas anderes, was es in der Industrie lange nicht mehr gab: Wertschätzung. Man klatschte nicht einfach ein LCD-Panel in ein Plastikgehäuse, sondern man wollte dem Anwender ein Lächeln ins Gesicht zaubern, jedes Mal, wenn er sich an seinen Schreibtisch setzte.
Vermutlich hat es nie (und nie wieder) einen derartigen Kontrast gegeben zwischen einem PC-Arbeitsplatz und einem Mac-Arbeitsplatz. Man betrachte einfach diese Bilder:
Und hier die ganz Familie:
Vermutlich gibt es keinen Apple-Anwender, der diese Zeit erlebt hat und nicht mit glasigen Augen einen Moment bei diesen Fotos verweilt. Damals waren große LCD-Displays noch neu und aufregend, und es fühlte sich an wie ein Aufbruch in eine futuristische Zeit.
Eine Besonderheit lag darin, dass der Mac und seine Displays stets ein abgestimmtes System bildeten. Als der G5-PowerMac ein technisch-sachliches Design bekam, galt es auch für die Displays. Der große Star war natürlich das riesige 30-Zoll-Display, das den Mac als leistungsfähige Workstation positionierte:
So etwas bekam man nur bei Apple. Normale Grafikkarten waren damals gar nicht in der Lage, so viele Pixel zu steuern. Die Displays waren so angenehm, so solide und robust, dass sie heute noch funktionieren.
Ihr Aluminium-Design ist zeitlos. Man kann sich heute noch an einen solchen Arbeitsplatz setzen, ohne dass es altmodisch wirken würde.
Und dann stoppte es.
Irgendwie ging es danach nicht weiter. Zwar kam noch das Thunderbolt-Display, was vor allem eine gute All-in-one-Lösung darstellte, weil Lautsprecher und Kamera integriert wurden. Es war ein gutes Mac-Display. Aber es war weder größer noch besser aufgelöst als die Vorgänger. Es war nach Mac-Maßstäben ein ordentliches Standard-Display. Aber es war kein Aufbruch in neue Welten. Allerdings konnte man das für 999 Euro auch nicht verlangen.
Und so blieb mancher Mac-Anwender dabei. Die Jahre vergingen. Es war offensichtlich, dass die nächste Generation über Retina-Auflösungen verfügen würde, also wartete man als Desktop-Anwender brav, bis man an der Reihe war. MacBooks, iPads und auch der iMac bekamen atemberaubende Displays spendiert. Aber ausgerechnet die klassischen Desktop-Systeme wurden ausgelassen. Das war nicht gerecht.
Obwohl Retina-Auflösungen eigentlich ein alter Hut sind, existiert eine große Zahl an Anwendern, die mit dem neuen Studio Display erstmals die Chance dazu bekamen — weil sie auf einem Apple-Display bestanden, und weil das 6k-Display zu monströs war. Sie wollten etwas haben, was in der Tradition der früheren Systeme stand, als alles so toll zusammenpasste.
Diese Zeilen schreibe ich auf dem neuen Studio Display. Es wirkt auf mich, als sei Dornröschen endlich aufgewacht. Das ist genau das Display, mit dem Apple seine Tradition fortsetzen kann.
Natürlich bin ich längst die Retina-Displays von meinen MacBooks und iPads gewohnt. Aber in dieser Größe ist es eine ganze andere Nummer. Ich sitze seit Tagen mit offener Kinnlade vor dem Display. Es ist so unfassbar gut.
Die Bildqualität ist absolut umwerfend. Die Schärfe der Schriften. Die strahlenden Farben. Die Helligkeit. Alles sieht plötzlich viel schöner aus.
Dann die Verarbeitung. Es ist wieder dieses massive Aluminium, das ich bei meinem alten 30-Zöller so geliebt habe. Aber es kommt mit einer modernen Leichtigkeit daher. Man sieht keine einzige Schraube, nirgends. Alles wirkt schlicht, fein und edel. Das ist ein Apple-Display.
Es ist mir unbegreiflich, wie Apple jahrelang über dieses Display im iMac 5k verfügen konnte, ohne daraus ein Produkt für die restlichen Macs zu machen. Das wäre die nächste Revolution gewesen, wie damals das erste Cinema Display. Gerade in Kombination mit einem Mac und mit macOS ist es etwas, was man anderswo einfach nicht bekommt.
Es ist ein Display, bei dem man mit seinem Urteil erstmal skeptisch abwartet, schon wegen des Preises, und weil das Panel aus dem iMac 5k stammt. Aber wie das bei Apple-Produkten so läuft: Man setzt sich dann davor, stochert etwas herum, und erkennt Schritt für Schritt, warum die Ingenieure sich genau für diese Lösung entschieden haben, welche Probleme es zu lösen galt und was ihre Ziele waren. Und nach einer Weile nickt man mit den Kopf und sagt: »Stimmt. Genau so muss man das machen«.
Ja, das Studio Display ist teuer, und man braucht schon einen Grund, um es zu kaufen. Es ist nichts für »normale« Anwender. Aber die bisherigen Apple-Displays, die ich deswegen oben in Erinnerung gerufen habe, waren es ebenfalls nicht. Sie sollten den Mac-Desktop verwandeln in etwas Besonderes. Es sollte nicht einfach ein Display sein, sondern ein Apple-Display. Niemand fand das schlimm. Sondern gut.
Es gab sehr viel Kritik am Studio Display. Kritik ist natürlich immer erlaubt. Aber sie ist nicht immer fachkundig. Eine fachkundige Kritik könnte man den Apple-Ingenieuren ins Gesicht sagen, und diese würden immerhin anerkennen, dass man die zu lösenden Probleme verstanden hat. Wer einen Ingenieur fachkundig kritisiert, erntet nicht zwangsläufig dessen Zustimmung, aber dennoch seinen Respekt.
Nun frage ich mich, wie respektabel die Apple-Ingenieure die Titelbilder der erfolgreichsten YouTube-Testberichte finden. Würden sie sagen: »Da hat jemand fachkundig erkannt, was uns gelungen ist, und was nicht«? Oder würden sie sagen: »Meine Güte, was sind das nur für fürchterliche Ignoranten?«.
Die Fratzen, die ich unten beispielhaft aufgeführt habe, sollen wohl ausdrücken: »Wie kann jemand nur so blöd sein, um ein derart dummes Display zu bauen?« Die Grimassen zeigen eine Mischung aus Unverständnis, Fassungslosigkeit und Spott.
Diesen Zoo an Fratzen haben das Studio Display und seine Ingenieure sicherlich nicht verdient. Wenn ich einer der Ingenieure gewesen wäre, wäre ich tief enttäuscht. Nicht weil sich Kritik regt oder weil sich manche Wünsche nicht erfüllen ließen, sondern wegen dem schieren Unwillen, sich angemessen mit der Technologie zu beschäftigen. Trotzdem wird die Klappe laut aufgerissen, und die Ingenieure müssen sich das nun anhören. Spaß macht das nicht.
Die Steve-Jobs-Ära war eine Zeit des Lernens. Wir alten Mac-Hasen mussten damals lernen, warum Apple sich neu ausrichtete, wohin die Reise gehen sollte, und warum die neuen Produkte so aussahen, wie sie nunmal aussahen.
Heute ist die Ära von YouTube und Instagram. Lernen und Zuhören ist nicht mehr gefragt, sondern eine möglichst laute Stimme, sonst dringt man nicht durch. Was nicht nach drei Sekunden offensichtlich ist, ist ein FAIL. »Testberichte« werden noch während des Öffnens der Schachtel gedreht. Das Urteil steht sofort nach dem Einschalten fest: In einem der obigen Videos hat jemand buchstäblich noch die Folie der Display-Abdeckung in der Hand und behauptet, dies sei zwar gut und schön, aber sowas gäb’s anderswo billiger. Leider hat er nicht gesagt, wo.
Wem die Historie der Apple-Displays und die Zeit des Lernens mit Steve Jobs fehlt, der weiß vielleicht nicht, was ein Apple-Display ist. Der denkt vielleicht, es sei ein Dell-Display, nur von Apple. Und der versteht vielleicht nicht, was die Ingenieure bei Apple erreichen wollten.
Ich kann den Apple-Ingenieuren nur gratulieren. Technik und Design sind einfach auf einem unerreichten Level. Die Qualität ist absolut umwerfend. Man kann immer fragen, warum ein bestimmtes Feature nicht eingebaut wurde oder warum es noch so teuer ist. Aber Technik ist immer vorläufig und es wird immer etwas geben, was erst in der nächsten Version möglich wird.
In meinem Büro steht ein ganzes Museum an Displays, große, kleine, alte und neue. Im Vergleich zum Studio Display ist das alles Schrott. Die Bildqualität transformiert meinen Arbeitsplatz in etwas Besonderes. Einfach auf diese Buchstaben zu blicken, zaubert mir ein breites Grinsen ins Gesicht.
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