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Laptop-Schlacht


25.07.2022   Immer wieder gab es Momente in Apples Geschichte, wo endlich mal alles zusammengepasst hat. Als der Mac in den späten 90er- und frühen 2000er-Jahren in seiner Existenz bedroht war, fieberten die Fans solchen Momenten entgegen. Sie freuten sich, dass die »eigene« Mannschaft zum Tor stürmte und vielleicht ein Tor schießen würde. Man hoffte auf angriffslustige TV-Werbung, und dass der Mac wieder ein paar Marktanteile erobern würde. Das war wichtig.



Doch die meiste Zeit war das nicht der Fall. Meist fehlte ein wichtiges Puzzleteil. Mal kamen die Prozessoren nicht vom Fleck, mal war das neue OS X nicht bereit für den Mainstream, mal waren die Preise zu hoch.

Aber wenn alles gepasst hat, dann war es grandios.



Zum Beispiel beim weißen iBook. Es bot ein elegantes Design, ein recht großes LCD-Display mit 14 Zoll, ein ausgereiftes OS X, sowie coole Apps wie iTunes, iMovie, iDVD und iWork. Sein Preis sank kontinuierlich, bis es im Weihnachtsgeschäft ab 999 Euro zu haben war. Zu diesem Preis wurde es ein riesiger Hit. Apple befeuerte den Erfolg mit zahlreichen kreativen Werbespots und ließ die üblichen langweiligen Business-Laptops ganz schön alt aussehen.



Vielleicht war das weiße iBook das erste echte Massen-Laptop überhaupt. Ursprünglich entwickelt für Kids und Konsumenten, wurde es bald zum Laptop für jedermann. Der bunte Vorgänger, das originale iBook G3, war etwas zu speziell und zu schepsig für den ganz großen Erfolg.

Das trifft in gewisser Weise auch zu für das erste MacBook Air. Es wies in die Zukunft, aber es war eben konstruiert worden für eine spezielle Kundschaft. Der Preis war zu hoch für den Mainstream, der Speicher entweder zu langsam oder zu teuer — und sogar das tolle Design machte jene Kunden skeptisch, die einfach ein ganz normales Laptop für den Alltag suchten.



Erst die zweite Version wurde zu einem Massenphänomen. Hier kam wieder alles zusammen: Die Technik war ausgereift und dennoch futuristisch, die Software auf dem neuesten Stand, die Preise niedrig. Es übersprang die für den Mac oft unüberwindliche Hürde, dass interessierte Kunden sich ein Gerät einfach bei ihren Freunden oder Kollegen ansehen konnten. Dadurch schwand die Skepsis, ob ein derart dünnes Gerät (und nach dazu ein komischer „Mac“) ein guter Kauf sei.

Kann das neue Air M2 diesen enormen Erfolg wiederholen?

Der Preis ist derzeit noch zu hoch. Aber alle anderen Zutaten weisen nach meiner Ansicht darauf hin, dass das Air M2 den Erfolg seiner Vorgänger noch überflügeln könnte.

Das Design ist weniger modisch, und das ist für manche Kunden schade. Aber die neue Form beseitigt jeden Zweifel, ob man der richtige Kunde dafür ist. Es braucht niemand skeptisch zu hadern, ob er den Kauf bereuen wird. Das sachliche weiße MacBook G4 hat von diesem Effekt profitiert.



Das Design des Air M2 schafft eine verblüffende Balance zwischen Eleganz (weil es so dünn ist) und Sachlichkeit (weil seine Form so klar ist). Es bedient beide Zielgruppen, ohne dafür einen windigen Kompromiss eingehen zu müssen, der am Ende alles ruiniert. Zusätzlich leiht es sich etwas Glanz von den mörderischen MacBook Pro, weil es aussieht wie ein schlankes MacBook Pro. Das ist schon sehr geschickt gemacht.

Performance und Akkulaufzeit befinden sich in einer eigenen Liga, wenn man sie als zwei Seiten der gleichen Medaille betrachtet. Was noch erstaunlicher ist: Sie befinden sich auch dann in einer anderen Liga, wenn man sie getrennt betrachtet. Wer ein gemeines, gewalttätiges und höchst verachtenswertes Zahlenmonstrum sucht, wird beim MacBook Air fündig. Wer einen schlanken Marathonläufer sucht, ebenfalls. Das ist völlig verrückt.

Nun könnte man denken, dass die aktuellen MacBooks in ihren verschiedenen Leistungsklassen in den einschlägigen Vergleichstest der Computerpresse auf den vorderen Rängen platziert sind, und dass viele PC-Kunden darauf aufmerksam werden. Auch das ist nötig für den großen Erfolg.



Doch offenbar ist das nicht der Fall. In der Blogosphäre diskutiert man derzeit das Phänomen, dass die MacBooks mit Apple Silicon in den Testberichten häufig weggelassen oder nur in einer Randnotiz erwähnt werden. Angeblich wären die Leser dieser Magazine, meist PC-Käufer, darüber nicht erfreut. Also lässt man es lieber weg. Das ist aber nur eine Spekulation. Hier ist ein Beispiel:

»Even laptop reviews that do compare PC laptops with Apple Silicon based MacBooks seem to understate just how much better these MacBooks are in terms of power, noise, and battery life. It’s no longer a choice between a compromised laptop that runs Windows and another compromised laptop that runs macOS. It’s a choice between a hot and noisy and/or slow PC laptop running Windows and a cool, silent, and fast MacBook. Most buyers don’t know that choice now exists, and it’s the reviewer’s job to educate them. Excluding MacBooks from consideration does those buyers a considerable disservice.« — Quelle: wormsandviruses.com

Das Argument besteht darin, dass die Tester die Aufgabe hätten, den Leser über die verschiedenen Produkte zu informieren, sodass der Leser eine gute Wahl treffen kann. Die vielen Kompromisse, die ein Käufer gerade bei Laptops abwägen muss, scheinen bei den neuen MacBooks aufgelöst zu sein. Wenn das stimmt, dann ist es eine neue Ära der Computergeschichte. Das müsste man doch wenigstens erwähnen?

Falls diese Debatte weiter an Fahrt gewinnt, könnten die PC-Tester sich genötigt fühlen, stets auch die MacBooks zu berücksichtigen, wenn sie nicht als unehrlich gebrandmarkt werden wollen.

Warum mich das kümmert? Ein Wettrennen macht für die Zuschauer mehr Spaß, wenn fair und nach klaren Regeln gespielt wird.

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