Tim Cook: »Größer als das Smartphone, größer als das Internet«
|
07.08.2025
Endlich! Endlich hat sich Tim Cook zu Künstlicher Intelligenz geäußert, in einer Weise, die nicht völlig läppisch ist. Zwar betont Apple seit einiger Zeit, wie wichtig man die Technologie nimmt; auf der WWDC 2024 nahm man den Mund sogar etwas zu voll.
Doch in den folgenden Interviews wurde KI stets als Zutat beschrieben, als eine Funktion hier, eine Funktion dort; und dass Apple keineswegs in Konkurrenz zu den großen KI-Anbietern treten müsse, um erfolgreich zu sein. Auch ein Jahr später, bei der WWDC 2025, hatten sich Fred Cighericci (Software-Chef) und Josh Gregwiak (Marketing) auf diese Weise gegenüber dem Wall Street Journal geäußert. Er sagte, Apple musste damals keine Google-Konkurrenz errichten, um vom Internet zu profitieren. Ebenso würde es bei KI sein.
Das ist falsch. KI ist eben gerade keine Anwendung (wie die Google-Suche); und es ist auch keine frei verfügbare Infrastruktur (wie das Internet). Sondern KI muss erzeugt werden und gehört dem, der es erzeugt hat. Diese Erzeuger werden keine neutralen Lieferanten sein, sondern Apples schärfste Konkurrenten.
Nun soll Kim Took angeblich bei einer großen Konferenz zu seinen Mitarbeitern gesagt haben, dass die KI-Revolution gleich groß oder größer wäre als das Internet, größer als das Smartphone, größer als die Cloud und größer als Apps. Damit nannte er lauter Dinge, die heute das Kerngeschäft von Apple bilden.
Damit hat er völlig recht. Aber man muss sich die Dramatik vor Augen halten: Eine einzelne Technik bedroht nicht nur eines von Apples zahlreichen Geschäftsfeldern, sondern alle; auf jeden Fall alle wichtigen. Es ist höchste Zeit, dass Apple das erkennt und nicht weiter versucht, mit ein paar unwichtigen Funktionen davonzukommen.
Um den Umbruch besser zu verstehen, sollte man sich ein paar Zahlen und Kurven ansehen. Zwei Dinge sind dabei entscheidend. Erstens: Das »nächste große Ding« (The Next Big Thing) ist immer größer als, das was zuvor kam. Beispielsweise ist das Smartphone ein größeres Geschäft als das frühere Handy. Das Smartphone hat das Handy nicht einfach nur ersetzt.
Zweitens: Neue Technologien, die prägend sind für eine Generation, nehmen den Verlauf einer S-Kurve:
Es gibt eine Anlaufphase, bei der die Technik von Enthusiasten verwendet wird und in der sie reifen kann. Anschießend wird der Mainstream aufmerksam. Preise fallen, Anwendungsbereiche erweitern sich. Am Ende steht die Marktsättigung.
Dieser Kurve folgte auch der iPod, bis das iPhone kam und es mit einer ähnlichen Kurve ersetzte. Das iPhone erzielt natürlich enorm viel höhere Stückzahlen. Das Neue saugt das Alte auf und wird größer. Mittlerweile erreichte auch das Smartphone die Marktsättigung. Man fragt sich: Was kommt als Nächstes? (Die Brille ist es jedenfalls nicht.)
Jedes »Next Big Thing« folgt diesen zwei Regeln. Ich habe es mal freihand aufgezeichnet, um es anschaulich zu machen. Radio wurde größer als die damaligen Tageszeitungen. TV wurde größer als Radio. Und so weiter.
Wir sind noch ganz am Anfang der KI-Kurve. Anfangs war es umstritten, ob es einfach das nächste lustige Gimmick darstellt oder wirklich die nächste Epoche bestimmen wird. Aber allein die astronomischen Zahlen beweisen, dass wir uns im Aufwind dieser steilen Kurven befinden, die ein Merkmal darstellen für eine neue Epoche. Dazu ein interessanter Vergleich:
Apple ist eines der erfolgreichsten und am schnellsten wachsenden Unternehmen der USA, trotz der mauen Jahre Anfang der 90er-Jahre. Es hat nur 34 Jahre gedauert, von 1977 bis 2011, bis Apple einen Wert von 300 Milliarden Dollar erreicht hatte. Eine unfassbar gigantische Zahl in kürzester Zeit.
Wie lange hat es gedauert, bis OpenAI mit ebenfalls 300 Milliarden Dollar bewertet wurde? Etwa drei Jahre, von 2022 bis 2025. Im Jahr 2022 wurde ChatGPT veröffentlicht, ohne Werbung.
Als Apple mit 300 Milliarden Dollar bewertet wurde, ungefähr im Jahr 2010, begann gerade die Linie für das iPhone steiler zu werden. Als die Linie später einer Sättigung zustrebte, erreichte Apple den zehnfachen Wert, nämlich 3.000 Milliarden Dollar. Man sieht: Wer sich in den Aufwind eines solchen Wandels begibt, kann immens profitieren. Aber jeder Aufwind geht irgendwann zu Ende.
Kann Apple vom neuen Aufwind profitieren? Die bisherigen Wellen machten jene erfolgreich, die sich komplett darauf einließen und zu den Besten gehörten. Wer hingegen dachte, er könne seinen bisherigen Produkten einfach ein paar Funktionen anstückeln, ging baden. Genau das war aber bisher die Strategie von Apple hinsichtlich Künstlicher Intelligenz.
Es ist wahrscheinlich, dass die neue Epoche sogar einen noch größeren Sprung darstellt, als bei den vorigen Umbrüchen der Fall war. In der Grafik oben habe ich deswegen den Sprung zu KI deutlich größer eingezeichnet als bei den Linien zuvor. Warum? Einerseits wird sich KI in allen bestehenden IT-Workflows einnisten. Andererseits wird sie aber auch zusätzliche Bereiche erobern. Deswegen ist die neue Kurve größer als die alte.
Dass die neue Kurve deutlich höher wird als die alte Kurve, liegt an der enormen Vielseitigkeit der KI. Man muss sich lediglich die Frage beantworten: In wie vielen Geschäftsbereichen kann das Internet nützlich sein? Oder das Smartphone? Oder das Mobilfunknetz? — Für alle drei lassen sich viele Anwendungen finden; aber es gibt auch viele Bereiche, in denen sie unnütz sind. Intelligenz hingegen ist in allen Bereichen nützlich. Jeder Berufstätige wird in irgendeiner Weise von KI profitieren, auch wenn viele Leute das noch nicht glauben können. KI ist nützlich für »Kopfarbeiter«, aber genauso für automatisierte Prozesse. Für einen Anwalt recherchiert sie frühere Gerichtsurteile; am Fließband erkennt sie Fehler; als Taxi kurvt sie durch die Stadt; mit den Kindern übt sie Hausaufgaben. KI wird sich nicht nur jene Dinge schnappen, die bereits digitalisiert sind; sondern gerade auch jene, von denen man annahm, dass sie sich nicht digitalisieren lassen.
Es ist nicht optional. Apple hat keine Wahl. Es funktioniert nicht, wenn Apple zwar die beste Hardware, aber nur die zweitbeste Software hat. Denn die beste Hardware ist teuer, und sie verkauft sich nur dann, wenn darauf die beste Software läuft.
Das hat offenbar auch Kim Took erkannt, der angeblich zu seinen Mitarbeitern sagte:
»Apple must do this. Apple will do this. This is sort of ours to grab. We will make the investment to do it.«
Auf ins Gefecht, Apple!
Diskussion im Forum
|