Studio-Display: Was bedeutet es am Ende?
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12.04.2022
In diesem Artikel möchte ich nicht auf einzelne Funktionen des Studio Displays eingehen, sondern mich mit dem »großen Ganzen« befassen. Wenn alle Argumente ausgetauscht und abgewogen wurden: Was bedeutet das nun?
Zunächst: Was ist das Ding überhaupt? Die ungewöhnliche 5k-Auflösung lässt es wirken wie ein Spezial-Display. Auch der Preis trägt dazu bei. Man muss schon einen triftigen Grund haben, um den Kauf eines solch teuren Monitors zu erwägen.
Vermutlich sieht Apple das ganz anders. Für Apple ist es ein Standard-Display. Denn an einer hohen Auflösung ist erstmal nichts »speziell« in dem Sinne, dass sie nur bei besonderen Anwendungen sichtbar würde, oder dass man bestimmten Kunden regelrecht abraten müsse. Sondern eine hohe Auflösung ist nett für alle.
Dasselbe gilt für die Größe des Displays. Sie ist nicht übertrieben monströs, sondern sie ist für jeden Arbeitsplatz plausibel. Durch die schmalen Ränder wirkt es geradezu zierlich und bescheiden. Gerade das könnte man kritisieren: Dass man eben gerne ein super-monströses Display gehabt hätte, vor allem angesichts des Preises. Stattdessen ist die Größe unauffällig. Sie ist angenehm und erprobt. Großzügig, aber nicht angeberisch.
Wenn man vom Preis absieht, wirkt es wie ein ganz gewöhnliches Standard-Display, wie man es für das Jahr 2022 erwarten würde. So baut man heutzutage Displays. Viele Apple-Geräte sind von dieser Art: Auf den ersten Blick ist man aus dem Häuschen, aber schon auf den zweiten Blick fragt man sich: Wie soll man es auch sonst machen?
Apple könnte daher auf die Frage, warum es ausgerechnet ein 5k-Display sein muss, entgegnen: »Naja, warum nicht?« — Erst der rätselhafte Umstand, dass die 5k-Technik in all den Jahren nicht billiger wurde, bringt alles durcheinander.
Aber nicht nur die Preise für 5k-Panels sind rätselhaft, sondern die Preise für 4k-Panels sind es ebenso. In den letzten paar Jahrzehnten waren gute Displays immer teuer. Es blieb immer eine Technik am Rande des Machbaren; man hätte sich immer mehr Qualität und Platz gewünscht, als die Industrie liefern konnte. Erst in den letzten paar Jahren haben wir uns daran gewöhnt, dass Displays im Media Markt für 299 Euro feilgeboten werden, und dass selbst große Monitore bei Dell für 799 Euro verfügbar sind. Die längste Zeit war es völlig selbstverständlich, sich den Kauf eines Displays sehr gründlich zu überlegen und im Zweifel einen etwas höheren Preis zu akzeptieren. Vierstellig kosteten gute Displays auf alle Fälle.
Heute ist der Markt strikt zweigeteilt. Premium-Displays kosten ein Vermögen und werden nur an Grafikprofis verkauft. Standard-Displays kosten unter 1.000 Euro. Die Mitte fehlt: Premium-Qualität für Standard-Anwender.
Das Studio Display bedient diese Mitte. Ist das nun genau falsch oder genau richtig? Jedenfalls sorgt es für Kritik von allen Seiten. Für die einen zu teuer, für die anderen nicht genügend Funktionen.
Nach meiner Ansicht ist es genau richtig. Es schafft eine eigene Kategorie, oder genauer, es füllt eine vergessene Kategorie mit neuem Leben: Apples berühmte Cinema Displays waren enorm gut, deutlich teurer als die Angebote der Konkurrenz, aber trotzdem gerade noch in Reichweite vieler Anwender, die sich was gönnen wollten. Plötzlich saßen wir vor 30-Zoll-Displays. Apple war es gelungen, eine High-End-Technologie halbwegs erschwinglich zu machen.
In dieser Tradition sehe ich das Studio Display, nachdem ich einen Tag lang damit zugebracht habe. Die Qualität ist absolut umwerfend. Man kann es gar nicht deutlich genug betonen. Die Klarheit und Feinheit von Text ist unerreicht. Gehäuse-Design und Verarbeitungsqualität spielen in einer anderen Liga. Sowas baut einfach kein anderer Hersteller, und schon gar nicht zu diesem Preis. Es ist iPhone-Präzision bis runter auf den hundertstel Millimeter.
Wird es erfolgreich? Oder ist es ein elitäres Nischen-Display für ein paar Fans?
Ich teile die Skepsis vieler Testberichte überhaupt nicht. Ja, das Display ist teurer als die Displays von Dell. Aber wen kümmert das? Nach dieser Logik müssten wir auch unsere Computer bei Dell kaufen. Aber das tun wir nicht.
Nach meiner Ansicht wird das Studio Display zum Standard werden bei vielen Anwenderschichten. Programmierer, Webdesigner, Autoren, Architekten, Grafiker, Illustratoren und viele weitere Berufe profitieren von der feinen Auflösung. Sie werden den Preis schlucken. Gerade im beruflichen Umfeld geht es nicht nur darum, ob man sich die erste Wahl leisten kann, sondern ob man sich die zweite Wahl leisten kann.
Retina-Auflösungen sind bei mobilen Geräten längst zum Standard geworden. Wer Inhalte erzeugt, die auf diesen Plattformen betrachtet werden, der hat eine prima Ausrede, sich das Studio Display anzuschaffen.
Gerade weil das Studio Display eine Mittelposition besetzt, ist es nicht derart abgehoben, dass es von vornherein ausscheidet. Es wirkt nicht albern, wenn ein Programmierer sich das Studio Display kauft.
Viele Apple-Kunden benötigen außerdem keine besondere Rechtfertigung. Sondern sie freuen sich an Qualität. Sie möchten ein System aus einer Hand. Natürlich müssen die Kosten halbwegs im Rahmen bleiben, aber bei Preisen unter 2.000 Euro ist das der Fall. Man hat ja viele Jahre etwas davon.
Mir gefällt, dass es wieder einen Unterschied gibt zur Windows-Welt. Ein Apple-Display gehört für mich einfach dazu. Der eigentliche Skandal beim Studio Display ist nicht der Preis, sondern dass es so lange keins gab.
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